„Good morning, teacher!“

Mit diesen Worten werde ich inzwischen täglich begrüßt – Montag hat nämlich die Schule wieder angefangen und somit auch mein Dasein als Lehrerin. Dadurch merke ich endlich, dass es auch einen Sinn hat, was ich hier tue und weshalb ich mich auf dieses Jahr eingelassen habe – ein Gefühl, nach dem ich mich in der letzten Zeit sehr gesehnt habe. Am ersten Tag habe ich mich mit Louis nur den Kindern vorgestellt und zusammen ein paar englische Lieder eingeübt, unter anderem „Head and shoulders, knees and toes“, wohl DER Grundschulklassiker, der auch hierzulande sehr gut ankam.

Gestern habe ich dann tatsächlich begonnen, zu unterrichten, was mich fast etwas überrumpelt hat. Zwar hatte ich mir zuvor einige Notizen gemacht, aber als mir dann von jetzt auf gleich gesagt wurde „Du unterrichtest jetzt ‚Conversation‘ in der dritten Klasse“, war ich dann doch etwas überrascht. Das meiste der Stunde hat dann allerdings ganz gut funktioniert oder zumindest mehr oder weniger meinen Ansprüchen entsprechend, die ich bewusst niedrig gehalten habe – enttäuscht wurden sie nur am Ende, als es den Schülern schleierhaft schien, wie man zu zweit einen Dialog einübt. Das wurde dann in der zweiten Klasse nicht unbedingt besser, schließlich nehmen die Englischkenntnisse in jedem Jahr zu und als ich schließlich sogar in die Erste geschickt wurde, war ich überaus glücklich, dass von mir kein Unterricht, sondern nur eine Weile Beschäftigung verlangt wurde, sodass ich wieder meine Standard-Lieder einüben konnte. Etwas schmunzeln musste ich dann, als ich Begriffe an die Tafel malte, die die Kinder mir auf Englisch nennen sollten – auf eine Sonne und einen Stern, die lautstark mit „SUN!“ und „STAR!“ bezeichnet wurden, kam dann mein Versuch einer Mondsichel. Die einstimmige Antwort war „BANANA!“ – offensichtlich deutlich näher am Alltag der indischen Kinder, so dass ich sie dann in dem Glauben beließ. Dass ich kein Picasso bin, war mir ja auch schon vorher bewusst ;).

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Heute konnte ich dann den Luxus erleben, in der vierten und fünften Klasse zu unterrichten. Zwar klappte auch hier nicht alles problemlos, jedoch hatte ich wenigstens das Gefühl, dass meine Anweisungen und Fragen verstanden wurden – und ich habe sogar ein Kompliment von der Schulleiterin und für mich verantwortlichen Schweser Agostina erhalten, die immer mal wieder zu mir reingeschaut hat: „You have good control over the class, you know how to keep them quiet.“ Das hat mich dann tatsächlich sehr gefreut, fast genauso wie die begeisterten Blicke der Kinder, wenn sie sehen, dass sie jetzt bei mir Unterricht haben oder ihre leuchtenden Augen, wenn ich eins meiner kaum vorhandenen Malayalam-Worte auskrame.

Leider bekomme ich immer noch keinen Unterricht und versuche mir selbst ein paar einfache Sätze beizubringen wie „Ich habe keine Schmerzen“, worauf ich hier aufgrund meines Fußes mindestens einmal täglich angesprochen werde. Als mir dann aber der indische Doktor dann einmal die entsprechende Frage stellte, war mein Gehirn anscheinend so überfordert mit der Situation, dass ich auf italienisch „Si!“ antwortete – und dass obwohl die Italiener längst abgereist sind und ich also in den letzten Tagen kaum italienisch gesprochen habe. Also muss ich diesen Beitrag wohl mit einem „Typisch!“ schließen – meine Verpeiltheit lege ich anscheinend auch in Indien nicht ab :P.

Happy Onam!

Zurzeit sind hier alle in heller Aufruhr – it’s Onam-time! Wie schon im letzten Beitrag erklärt, ist Onam DAS keralesische Fest. Seit ungefähr einer Woche gibt es deshalb jeden Tag Programm und immer ausschweifendere „Flower Carpets“ also kunstvoll arrangierte Blumen-Bilder. Oft werden kleine Spiele gespielt, bei denen Schwestern, Schülerinnen, manchmal College-Studentinnen, die im angrenzenden Hostel leben, und zuletzt sogar das ganze Dorf gegeneinander antreten und alle sehr viel Spaß haben. Bei einigen davon beteilige auch ich mich gerne (bei anderen geht es wegen meines Fußes etwas schlechter) und so habe ich tatsächlich schon mal einen kleinen Sieg eingeheimst bei einer indischen Version von „Reise nach Jerusalem“! Und es gab sogar Preise: Ich habe ein Tagebuch geschenkt bekommen, nur da bereits vor meiner Ausreise mindestens fünf Leute die gleiche Idee hatten (trotzdem danke für eure Geschenke, Leute! 😀 Wenn ich sie nicht jetzt benutze, dann bestimmt später mal) konnte ich das eher weniger gebrauchen – mein Mitfreiwilliger freut sich auch drüber ;).  Ansonsten gab es auch schon ein paar Aufführungen hier, mit Gesang & Tanz – manche der Schwestern/Schülerinnen zeigen dabei wirklich erstaunliches Talent! – und einmal habe ich mich sogar trotz Schiene (die Krücken habe ich inzwischen abgelegt) getraut, ein bisschen mitzutanzen. Die indische Art, sich dabei zu bewegen, bewundere ich, die ich ja in Deutschland selbst relativ viel getanzt habe, sehr und habe den Schülerinnen bereits das Versprechen abgerungen, mir später mal etwas davon beizubringen. Im Gegenzug sind sie auch alle ganz neugierig darauf, zu sehen, wie man das so in Deutschland macht.

IMG_3256.JPGAuch in der Schule wurde bereits mit den Kindern gefeiert, wofür ich die Gelegenheit wahrgenommen habe, das erste Mal meinen Sari zu tragen und ein bisschen Spaß mit den unglaublich süßen und neugierigen Kindern zu haben.

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Das Onam-Essen („Onam Sadya“) ist übrigens auch super: Traditionell auf einem Bananenblatt serviert, gibt es mindestens 10 verschiedene Soßen oder Curries, die man dann mit Reis und „Papadam“ (ein frittiertes ‚etwas‘, was mich ein bisschen an Pombären erinnert) zusammen isst – vorzugsweise auf dem Boden und natürlich mit den Händen! Danach gibt es immer einen Becher „Paesa“, eine milchreisähnliche, dickflüssige süße Soße, oft mit Reis darin und meistens ziemlich lecker, wobei ein ganzer Becher davon schon eine ordentliche Menge ist. IMG_6633Außerdem ist seit einigen Tagen eine Gruppe Italiener hier, die unsere Oberschwester, Sister Sylvia, durch ihren Aufenthalt in Italien kennen. Zwar ist ihr Englisch schlecht, bis kaum vorhanden (immer diese Italiener…), aber ich versuche mir mit meinem mäßig guten Schulitalienisch weiterzuhelfen, was mal besser, mal schlechter klappt. Für mich hat ihre Anwesenheit aber auch den Vorteil, dass wir einige Ausflüge machen, das letzte Mal in eine größere Stadt namens Mysure, inklusive vierstündiger Autofahrt, bei der wir aufgrund des abenteuerliches Fahrstils unseres indischen Fahrers Sibi wohl alle, unabhängig von der Religion, mehrere Stoßgebete gen Himmel gesandt haben: Ich leise, die Italiener haben aber sogar alle zwei Stunden eine Viertelstunde das Ave Maria gebetet. Dort haben wir einen wirklich schönen Tag, inklusive Sight-Seeing bei einem alten Königstempel erlebt. Am Tag zuvor besuchten wir meinen Mitfreiwilligen Louis in seiner Unterkunft in Chundale – wunderschön aber unglaublich abgelegen – und haben die kuriose Erfahrung gemacht, dass ein uniformierter Polizist uns dabei geholfen hat, uns zu zehnt in unseren Siebensitzer zu quetschen. Manche Dinge können einem wohl nur in Indien passieren :).

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Auf dem Weg saßen am Straßenrand tatsächlich überall kleine Äffchen.

Wie man sieht, verlief die letzte Woche nicht mehr so ereignislos wie am Anfang, und Zeit für den Blog zu finden, wird immer schwieriger. Das ist aber natürlich ein gutes Zeichen! Für diejenigen, die gefragt haben: Nein, ich bin nicht von der Flutkatastrophe in Indien betroffen, um ehrlich zu sein, habe ich davon noch nicht einmal etwas mitbekommen. Ein Nachteil hier ist, dass Fernsehen und somit Nachrichten nur auf Malayalam laufen, weshalb mir die Neuigkeiten aus aller Welt doch ziemlich fehlen, weil mein Internet auch kaum dazu ausreicht, mich zu informieren. Ich habe aber bereits eine Schwester gefragt, ob es möglich ist, englisches Fernsehen zu empfangen und vielleicht kann ich mir in Zukunft mal BBC ansehen. Oder natürlich, mein Malayalam macht Fortschritte – ich kann inzwischen tatsächlich schon ein paar (seeehr einfache und auch nur seeehr wenige) Sätze, à la „ich mag (hier beliebiges Essen/Tier einfügen)) – magst du…?“. Sobald die Ferien und das Feiern hier vorbei ist, werde ich wohl auch Unterricht bekommen.

Die ersten Tage

Ich bin jetzt ein paar Tage hier, und ich muss sagen, es gefällt mir wirklich gut! Die Schwestern, die hier leben, sind alle wirklich nett zu mir und außerdem gibt es knapp zehn ältere Schülerinnen ungefähr in meinem Alter, die hier im Konvent leben. Man merkt, dass die Familie hier in Indien sehr hochgehalten wird, weil das erste, was die meisten einen nach dem Namen fragen (meiner ist hier übrigens Maria – ich habe es aufgegeben, dass zu Marie zu korrigieren, was hier anscheinend eine gänzlich unbekannte Variante ist), „How is your family?“ oder „Do you have a picture of them?“ ist.  Dann sind sie immer ganz begeistert, wenn ich ein bisschen erzähle und noch ein bisschen mehr, wenn sie mir selbst Fotos zeigen dürfen.

Schon in dieser kurzen Zeit, habe ich sehr viele neue Erfahrungen gesammelt: Ich habe das erste Mal auf dem Waschstein gewaschen, was am Anfang ziemlich schlecht, aber nach einer Weile dann doch so mehr oder weniger geklappt hat; war „indisch shoppen“ und bin also schon im Besitz einiger neuer Klamotten, sogar ein Sari ist dabei, der aber noch angepasst werden muss; habe mit den Händen gegessen, wie das hier jeder tut und auch schon einmal die Schule besucht, auch wenn meine Arbeit dort noch nicht wirklich angefangen hat: Zur Zeit haben die Kinder „exam time“ und danach 10 Tage „Onam“ Ferien – Onam ist ein Fest, was nur in Kerala, dafür aber sehr groß gefeiert wird.

Die Geschichte hinter Onam

Onam – eine keralesische Version von Ernte Dank – beruht auf einer alten Sage. Demnach herrschte vor langer Zeit ein sehr gütiger König namens Mahabali in Kerala, der vom ganzen Volk geliebt wurde. Gleichzeitig war er aber von den Göttern ungerne gesehen (die Gründe hierfür gehen in verschiedenen Erzählungen auseinander) und so sollte er auf die Probe gestellt werden: Vishnu (ein hinduistischer Gott) verwandelte sich in einen kleinen Jungen und fragte Mahabali, ob er das Land behalten dürfe, was er innerhalb von drei Schritten umlaufen kann. Als der König zustimmte, wuchs Vishnu auf ein Vielfaches seiner vorherigen Größe und durchschritt mit den drei Schritten ganz Kerala. So gab Mahabali seine Herrschaft wieder ab, er fragte aber, ob er sein Volk einmal im Jahr besuchen dürfe und da er  so gütig gewesen war, wurde ihm der Wunsch gewährt. Seine jährliche Ankunft wird mit dem Onam-Fest gefeiert.

 

Dafür wird jetzt schon alles mit Blumen dekoriert:

 

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Das einzige, was schade ist, ist, dass ich zur Zeit relativ viel alleine und nicht sehr beschäftigt bin. Louis wohnt im Nachbarort und Selma, die mit mir zusammen wohnen wird, kommt erst im Oktober. Die Schwestern geben mir auch relativ viel Zeit um auszuruhen – insbesondere für meinen Fuß – was wahrscheinlich auch gar nicht schlecht ist. Trotzdem freue ich mich immer, wenn ich etwas zu tun habe, weshalb ich immer sehr glücklich bin, wenn sie mich um einen Gefallen bitten, auch wenn es nur eine Kleinigkeit ist und ich das Gefühl habe, nicht nur eine Last, sondern auch eine Hilfe sein zu können. Gestern hat mich zum Beispiel eine Schwester gefragt, ob ich ihr Daten auf einen USB-Stick überspielen kann und heute eine Schülerin, ob ich die englische Aussprache mit ihr üben kann. Das sind zwar nur kleine Momente, aber sie bedeuten mir sehr viel.

Anreise mit gebrochenem Fuß

Ich habe es tatsächlich geschafft – woow – inzwischen bin ich in Indien und langsam fange ich an, zu realisieren, was das bedeutet. Leider lief – wer mich kennt, wird es schon ahnen – nicht alles ganz so problemlos, wie geplant: Zwei Tage vor der Abreise habe ich eine Abschiedsfeier zusammen mit meinen Freunden organisiert, bei der wir auch alle wirklich viel Spaß hatten, und nochmal die Zeit zusammen genossen haben. Nur ist es mir dabei – mir ist schleierhaft wie genau – tatsächlich gelungen, mir den Fuß zu brechen, was ich dann erst am nächsten Tag erfahren habe, als ich sicherheitshalber doch mal zum Arzt ging, obwohl ich davon ausging, einfach nur umgeknickt zu sein. Als dann klar war, was wirklich passiert ist, und kein Sanitätshaus mehr offen hatte, um mir eine Schiene zu legen, habe ich erst einmal Panik bekommen – schließlich wollte ich unbedingt fliegen! Glücklicherweise konnten wir dann noch am nächsten Tag morgens direkt vor dem Abflug in aller Eile eine holen gehen und ich bin dann schließlich mit Krücken und Schiene am Flughafen angekommen. Das Ganze hatte dann wenigstens den Vorteil, dass Louis, mein Mitfreiwilliger, und ich bei unserem Zwischenstopp in Abu Dhabi erst mit einem motorisierten Wagen herumchauffiert wurden und man mich danach im Rollstuhl herumgefahren hat und zwar an allen Leuten und Schlangen vorbei.

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Als wir dann endlich, mitten in der Nacht, in Indien ankamen, wurden wir direkt von den Sisters, die das Projekt leiten, abgeholt und erlebten unsere erste indische Autofahrt: Obwohl wir eigentlich unglaublich müde hätten sein müssen, konnte keiner von uns Beiden ein Auge zu machen, und ich glaube das hatte zwei Gründe – zum Einen bewunderten wir die Landschaft, als während der Fahrt die Sonne aufging. Nicht umsonst, wird Kerala der schönste Staat Indiens genannt: Überall wächst etwas, ob Palmen oder Früchte, von denen man teilweise gar nicht wusste, dass sie existieren und es ist unglaublich grün. Andererseits war es – wie gesagt – eine INDISCHE Autofahrt und die sind eben nicht ganz so geruhsam wie die deutschen. Mein Sitz hatte noch nicht einmal einen Gurt, und so war ich jedes Mal froh, wenn wir eine der Kurven, die wir natürlich in einem unglaublichen Tempo entlangbretterten, gemeistert hatten, ohne dass uns dabei jemand unausweichlich in die Queere gekommen wäre.

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Die Sache mit Kenia und letzte Vorbereitungen

Hallo alle zusammen zu meinem ersten Blogbeitrag!
Am 22.8., also in weniger als zwei Wochen geht es für mich endlich los nach Indien und gerade stecke ich in den letzten Vorbereitungen: Mein Visum ist auf dem Weg und sollte morgen ankommen, alle möglichen Medikamente wurden besorgt, ich schlage mich noch mit der Bank herum und versuche gleichzeitig noch so viel Zeit wie möglich sowohl mit meiner Familie, als auch mit meinen Freunden zu verbringen, die ich jetzt erst einmal eine ganze Weile lang nicht mehr sehen werde. Aber das war, um ehrlich zu sein, am Anfang ganz anders geplant:

Bis Ende März war ich noch fest davon überzeugt, im Sommer stattdessen nach Kenia aufzubrechen. Zusammen mit sieben anderen Freiwilligen hatte ich einen Platz bei einer Kölner Entsendeorganisation zugesichert bekommen um dort Entwicklungshilfe zu leisten. Da ich mir davor schon eine Absage bei einer anderen Organisation eingeholt hatte, freute ich mich riesig über die Zusage – und war umso enttäuschter, als dann bei unserem dritten Vorbereitungstreffen irgendwann der Satz fiel „…und deshalb kann die Ausreise leider nicht stattfinden.“ Es gab Probleme mit den kenianischen Behörden, der Freiwilligenjahrgang vor uns wurde mitten im Jahr zurückgeschickt, weil ihnen keine Arbeitsgenehmigung und somit gültiges Visum ausgestellt werden konnte. Alle acht von uns fühlten sich irgendwo zwischen enttäuscht und verzweifelt, schließlich war es zu diesem Zeitpunkt auch eigentlich zu spät, sich noch an anderer Stelle zu bewerben. Glücklicherweise halfen uns die Kölner Koordinatoren aber dabei und informierten uns im Anschluss darüber, welche Organisation noch Restplätze hatte. So kamen dann sechs von uns schließlich an die Missionszentrale der Franziskaner – und somit nach Indien.

Inzwischen sind wir eigentlich alle recht glücklich über diese Fügung und freuen uns total auf die indische Kultur, die so vielfältig ist, wie in wohl kaum einem anderen Land! Außerdem fühlen wir uns – ich glaube, dass ich damit für alle sprechen kann – wirklich sehr wohl mit unserer jetzigen Organisation.