Hyderabad und Kulturreise durch Nordindien

Wie man vielleicht sehen kann, bin ich in der letzten Zeit wirklich sehr viel gereist, was ich auch sehr genossen habe: Nachdem wir drei aus Bangalore zurückkamen, hatten wir kaum Zeit zum Ausruhen, da es drei keineswegs ruhige Tage später schon wieder los in Richtung Hyderabad ging: Während unserer kurzen Zeit zurück im Konvent in Puthupaddy, fand hier nämlich eine First Profession, also eine Einweihung neuer Schwestern und somit ein riesiges Fest statt. Dazu wurde unter anderem die Oberschwester aus Italien eingeladen, weshalb natürlich alles piccobello aussehen musste, nicht zu vergessen von den aufwendigen Dekorationen der Kirche und des Gemeindehauses. Ich muss ehrlich sein: Bei diesen Vorbereitungen haben wir ziemlich wenig geholfen, da wir natürlich alle etwas übermüdet ankamen, riesige Eimer Wäsche vor uns hatten und einfach etwas Ruhe brauchten. Trubelig ging es natürlich trotzdem zu, aber dennoch freuten wir uns auf das Fest, welches dann aber nach einem langen Gottesdienst doch schneller vorbei war als erwartet.

Der Weg nach Hyderabad war leider etwas komplizierter: Da kein Zug oder Bus dorthin durchfuhr verbrachten wir mehr oder weniger freiwillig noch fast einen ganzen Tag in Bangalore, von wo aus wir dann über Nacht weiterfahren konnten. Immerhin kannten wir uns dort schon etwas aus, sodass wir die Zeit nutzen konnten (ehem, drei Stunden bei McDonalds), indem wir uns in eine Boulderhalle begaben. Trotzdem waren wir sehr froh, am nächsten Morgen von unseren beiden Mitfreiwilligen aus Hyderabad, Sarah und Pauline, mit denen wir uns wirklich sehr gut verstehen, abgeholt zu werden und dort in ein Bett sinken zu können. Es folgten zwei tolle Tage in Hyderabad, eine Stadt, die ich als deutlich entspannter, interessanter und schöner als das hektische Bangalore wahrgenommen habe. Zwar war auch hier natürlich viel los, doch ohne es näher beschreiben zu können hat Hyderabad wohl einen ganz eigenen Flair, weshalb ich einen Besuch wirklich nur empfehlen kann. Dort treiben sich auch erstaunlich wenige Touristen herum, was wohl damit zusammenhängen könnte, dass es mitten im Inland gelegen ist. Hier ist mir ein ums andere Mal aufgefallen, dass ich gerne mehr über indische Geschichte und Kultur erfahren würde und bereute es etwas, ein Buch dazu zu Hause gelassen zu haben – das war dem Gewicht meines Koffers geschuldet – habe mir aber definitiv vorgenommen, mir noch mehr Wissen anzulesen. Hyderabad ist stark muslimisch geprägt, was man auch an der Architektur, den vielen Moscheen und der bekannten „Charminar“, einem Triumphbogen mit Moschee im Obergeschoss, sehen kann. Im Gegensatz zu Bangalore (oder zumindest dem, was wir von der Stadt gesehen haben) gab es viele kleine Straßenhändler, Gässchen und mit Ornamenten verzierte Straßen und Hauseingänge; der spürbarste Unterschied war aber wohl die bessere Luft. Wir nutzten die Zeit für ein bisschen Sightseeing, besuchten die Charminar, eine Moschee und einen wunderschönen weitläufigen Hindutempel, in dem das Fotografieren leider verboten war – außerdem wurde das von Sarah und Pauline hoch gelobte Streetfood Pani puri, frittierte mit Linsen und Curry gefüllte Teigbällchen, probiert, die definitiv leckerer waren, als sie sich anhören :D.

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Im Anschluss ging es dann zu fünft weiter in Richtung Neu Delhi, soll heißen: 26 Stunden Zugfahrt! Immer wieder unvorstellbar, welche Strecken man in einem einzigen Land zurücklegen kann… Glücklicherweise überbrückten wir diese aber ganz gut, mithilfe von Kartenspielen, Game of Thrones, vielen Snacks und natürlich, weil wir uns einfach gut miteinander verstehen.

Dort wurden wir von einer deutschen Reisegruppe und unserem Koordinator, Father Francis, erwartet. Um kurz zu erklären, was uns bevorstand: Francis, der indische Father, der für die MZF arbeitet, veranstaltet jedes Jahr mit einer Gruppe von ca. 20 Deutschen eine Kulturreise durch Indien, deren Thema vordergründig die Vielfalt der Religionen und die Entdeckung der Spiritualität ist. Zusammen ist die Gruppe einen knappen Monat unterwegs, angefangen in Nordindien, um später auch in den Süden zu reisen und die Freiwilligenprojekte zu besuchen – bis vor zwei Tagen haben sie uns hier in Puthupaddy besucht. Uns war es möglich, sie für eine Woche auf ihrer Reise zu begleiten und somit an einer Mischung aus Touristen- und Bildungsprogramm teilzunehmen. Dabei war unsere gemeinsame Zeit in drei Etappen unterteilt: Wir starteten zusammen in Delhi, wo wir für drei Nächte bei Franziskanerschwestern unterkamen, dann ging es für eine Nacht nach Agra und zuletzt besuchten wir Jaipur, die „pink city“. Ich werde mich hier zurückhalten, die Reise in allen Einzelheiten zu beschreiben; damit spare ich mir eine Menge Aufwand und euch langatmige Details, also versuche ich mal mich kurz zu fassen (ein, wer mich kennt, eher schwieriges Unterfangen für mich – ich möchte gar nicht wissen, wie oft ich in der Schule den Satz „Marie, du sagst ja gute Sachen, aber wenn du es mal schaffen könntest, auf den Punkt zu kommen, könntest du bestimmt noch einen Punkt mehr bekommen.“ gehört habe).

Von der Stadt Delhi haben wir tatsächlich relativ wenig gesehen, die meiste Zeit verbrachten wir im Bus und stiegen hauptsächlich zum Tempelbesuch oder für den interreligiösen Dialog aus. Herauszuheben sind hier definitiv der Besuch des beeindruckenden Lotustempels, der – anders als erwartet – kein hinduistischer, sondern ein Tempel der Bahá’í-Religion ist. Diese beruft sich auf die Einheit und Gleichheit aller Menschen und schien mir wirklich erstaunlich modern, weshalb es mich wunderte, dass ich noch nie von ihr gehört hatte. Sie gilt zwar als eigenständige Religion, versucht aber, die Lehren verschiedenster Glaubensrichtungen zu vereinigen, da sie die Lehre verbreitet, dass alle Religionen letztlich verschiedene Auslegungen desselben Glaubens sind.

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Nachdem wir einige weitere Tempel, darunter auch Sikh- und Jain-Heiligtümer, besichtigt hatten, wurde für uns ein Treffen mit Vertretern aller erdenklicher in Indien auftretenden Religionen (Sikhismus, Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Bahá’í, Christentum, Judentum und Islam) organisiert, die mit uns über Kinderrechte aus der Perspektive ihrer jeweiligen Religion sprachen. Ich muss ehrlich zugeben, dass diese Kombination meiner Meinung nach nicht am Besten gewählt war – wie zu erwarten, ist das Kind in jeder der Religionen hoch geschätzt, in keinem heiligen Buch wird Gewalt an Kindern oder ähnliches gerechtfertigt, weshalb sich die Aussagen der Vertreter kaum bedeutend voneinander unterschieden. Dass die Realität in Indien teilweise anders aussieht, ist ihnen natürlich bewusst, aber die Schuld dafür den Religionen zuzuschieben, wie es bisweilen getan wurde, halte ich für vorschnell. Natürlich gefällt es mir immer noch nicht, zu sehen, dass die Schwestern an unserer Schule den Stick einsetzen, um die Kinder zu bestrafen, aber das hat nichts mit ihrer Religion zu tun, sondern damit, dass sie auf einem indischen Dorf aufgewachsen sind und selbst, wenn es einigen von ihnen nicht zusagt, unter einem enormen Druck der Eltern stehen, ihr Kind „vernünftig“ zu erziehen. In dieser Diskussionsrunde war dann der Unterschied zwischen uns Freiwilligen, die schon ein knappes halbes Jahr hier sind, und der Reisegruppe doch deutlich wahrzunehmen. Dass kulturelle Traditionen mit religiösen verwechselt werden, erlebt man ja auch immer wieder am Bild der arabischen Staaten, deren restriktives Frauenbild häufig auf den Islam geschoben wird. Trotz einiger Disparitäten gehörte dieser Dialog aber für mich zu den Highlights der ganzen Reise, weil ich es unglaublich spannend fand, die verschiedenen Vertreter interagieren zu sehen – besonders beeindruckt war ich übrigens von der Christin: Es handelte sich um eine katholische Schwester, die von meiner Nonnenvorstellung nicht weiter abweichen hätte können. Sie trug kein Ordensgewand (die Franziskanerinnen in Delhi übrigens auch nicht), tritt für Frauenrechte in der Kirche ein, veröffentlicht selbst im Internet Predigten und als ich sie nach ihrer Meinung zu Abtreibungen fragte, gab sie mir eine „offizielle“ Antwort als Vertreterin der katholischen Kirche und eine „inoffizielle“ als Feministin. Sie schien mir eine unglaublich starke Frau zu sein und als sie dann noch mit Kapitalismuskritik ankam, konnte ich meine Begeisterung nur noch schwerlich zurückhalten. Für diese inspirierende Begegnung bin ich wirklich sehr, sehr dankbar!

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Schließlich ging es dann weiter nach Agra – hier kann ich nicht besonders viel erzählen, sondern lasse lieber die Bilder für mich sprechen, denn hier klapperten wir das Touristenprogramm ab: Das Taj Mahal, was mich mehr beeindruckt hat, als ich es mir bei einem Gebäude hätte ausmalen können, wirklich wunder-, wunderschön, und das Agra-Fort, dessen Schönheit wir in einem etwas fitteren Zustand sicherlich noch mehr genossen hätten ;).

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Ja, wir sind schon krasse Gangster
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Agra Fort (leider ging hier irgendwann meine Kamera aus)

 

Die letzte Etappe der Reise war dann Jaipur, wo ich, entgegen meiner Vorsätze und Sorgen um die Haltung mit Selma auf einem Elefanten geritten bin. Hierzu möchte ich aber noch anmerken, dass auf die Tiere dort wirklich gut aufgepasst wurde, weshalb es beispielweise die Regelung gab, dass die nur viermal pro Tag geritten werden dürfen. Das riesige Tier (wir Beide hatten den größten von allen erwischt) beförderte uns etwas schwankend aber mit einem herrlichen Ausblick gesegnet zum „Amber Fort“, eine labyrinthartige, in verspieltem Stil gebaute, gelbe Palastanlage, die wir mit Freuden entdeckten – überall taten sich neue Gänge auf, auf einmal landete man auf einem anderen Hof oder in einem Turm, die Wege waren (zumindest für meinen grottigen Orientierungssinn) unergründlich. Später hatten wir dann noch etwas Zeit zum Shoppen in der Altstadt, die der Stadt ihren Beinamen „pink city“ verlieh: Um den damaligen englischen Prinzen Albert zu beeindrucken, ordnete der Maharaja Jaipurs im 19.Jahrhundert an, die Stadt vollständig terrakotta-pink zu streichen – eine Farbe die Gastfreundschaft symbolisieren sollte und so ist sie bis heute geblieben.

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Im Hintergrund erkennt man die terrakottafarbene Altstadt

 

Dort beendeten wir dann unsere Reise und traten einen abenteuerlichen Rückflug mit 16 Stunden über Nacht Aufenthalt in Mumbai, soll heißen: vier Stunden Schlaf auf einer gemütlichen Marmorbank, an.

Nach einer Woche Alltag besuchte uns die deutsche Reisegruppe dann auch hier und die Schwestern veranstalteten wieder einmal beeindruckende Aufführungen mit Tanz und Gesang, bei denen wir auch mitwirken konnten. Obwohl die ganze letzte Zeit sehr schön war, bin ich doch glücklich, dass nun wieder etwas Ruhe einkehrt und wir auch die Gelegenheit bekommen, uns wieder mehr auf unser Projekt konzentrieren zu können. Außerdem merkt man ja doch immer wieder den Unterschied zu den deutschen, die erst so wenig Zeit in diesem Land verbracht haben. Natürlich gab es auch innerhalb der Gruppe sehr große Unterschiede und besonders ein älteres Ehepaar hat es uns mit seiner Herzlichkeit und Offenheit wirklich angetan, trotz allem habe ich aber festgestellt, dass ich jetzt definitiv noch nicht bereit wäre, wieder nach Deutschland zurückzukehren, da man erst im Kontrast richtig wahrnimmt, wie fest man hier nun ja doch schon verwurzelt ist.

So, mit diesem längeren Beitrag verabschiede ich mich erst einmal wieder, wenn auch hoffentlich für nicht ganz so lange. Immerhin habe ich jetzt einmal alles aufgearbeitet, was so seit dem letzten trubeligen Monat hinter uns liegt.

Ganz liebe Grüße also,

Marie

francis reise
(Karte von welt-atlas.de)                                Hier also noch einmal unsere Reiseroute

 

 

 

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