Weihnachten in Indien

Namasthe!

Nach einer geraumen Weile melde auch ich mich wieder – in der Zwischenzeit war so viel los, dass ich mich entschlossen habe, das Ganze in mehrere Blogbeiträge aufzusplitten, weil wir auch endlich dazu kamen unsere ersten kleinen Reisen anzutreten und ich mir dafür dann doch etwas mehr Zeit nehmen möchte, als eine kurze Bemerkung in zwei Sätzen. Deshalb folgen hier nun erst einmal meine Eindrücke zu Weihnachten hier:

Im letzten Beitrag habe ich ja schon von einer ersten kleinen Weihnachtsfeier berichtet und ich kann euch versichern, dass der tanzende Weihnachtsmann keinesfalls eine Ausnahme war, sondern indischer Standard zu sein scheint. Entgegen meiner Erwartungen ist die Kommerzialisierung und „Verwestlichung“ in diesem Punkt voll und ganz nach hier durchgedrungen – von einem kleinen, ruhigen Fest im Privaten wie ich es aufgrund der christlichen Minderheit erwartet hatte, kann keine Rede sein. Wie ich bereits schon vorher festgestellt hatte, haben InderInnen anscheinend einen unglaublich großen Hang zum Kitsch, was sich in blinkenden Weihnachtsmännern, bunt leuchtenden Lichterketten und riesigen Krippen widerspiegelt.

Unsere (nach der bereits erwähnten Feier) erste größere Begegnung mit dem Fest, war die Weihnachtsfeier an der Schule: Dort wurden von den Schwestern an jedes Kind ein Minigeschenk ausgeteilt, alles war wunderschön (und vielleicht ein kleines bisschen kitschig) dekoriert – wir hatten sogar mit den Fünftklässlern selbst Girlanden aus Plastikflaschen gebastelt, die wir auch aufgehängt haben – und wir führten, zusammen mit den Kindern der vierten und fünften Klasse und – natürlich – einem Schüler im Weihnachtsmannkostüm zusammen einen Weihnachtstanz zu „We wish you a merry christmas!“ auf. Natürlich musste jeder von uns auch eine Weihnachtsmütze tragen, ohne die anscheinend nach Schwesternmeinung gar nichts geht. Wir haben uns zurückgehalten, ihnen davon zu erzählen, wie sehr sie alle von einer Coca-Cola Werbefigur beeindruckt sind, die möglicherweise eher wenig mit einem christlichen Weltbild zu tun hat, sondern uns lieber von ihrer fast kindlichen Freude anstecken lassen.

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Die war ganz besonders am 23.12. zu spüren, an dem hier die Hauptfeier stattfand – das frühe Datum ist dem Umstand geschuldet, dass die Anwärterinnen Weihnachten natürlich mit ihren Familien verbringen wollten und somit am 24. abgereist sind, jedoch fest in den Feierlichkeiten eingeplant waren und dort selbstverständlich nicht fehlen durften. Nach etwas Programm mit Singen und Tanzen (auch von uns dreien war diesmal ein Tanz zu „Rudolph the red-nosed reindeer“ dabei, nachdem wir gemerkt hatten, dass von uns auch ein Beitrag zum Programm erwartet wurde) war es dann endlich Zeit für die Bescherung! Im Konvent wurde ja gewichtelt, so dass alle Schwestern ganz aufgeregt unter ihren Weihnachtsmützen im Halbkreis saßen, um zu sehen, von wem sie ein Geschenk bekommen würden. Leider war das Ganze für uns etwas peinlich: Uns war gesagt worden, dass das Budget bei höchstens 300 Rupien (etwa 4 Euro läge), weshalb wir davon ausgegangen sind, dass eher Kleinigkeiten erwartet wurden – ich habe dann zum Beispiel einen Kalender und einen Schal gekauft. Die Schwestern hatten sich aber offensichtlich kaum an diesem Limit orientiert, weshalb sie alle einen Karton voll mit Anziehsachen, Süßigkeiten und weiteren Kleinigkeiten gepackt hatten. Trotzdem war es ein sehr schöner Abend: Die Schwestern hatten einen Heidenspaß daran, sich gegenseitig zu veräppeln, indem man sein Geschenk anfangs grundsätzlich nicht der richtigen Person gab, sondern mindestens ein, zwei falsche „Christmas friends“ antäuschte, denen man dann sein Geschenk sofort wieder aus der Hand riss. Die Stimmung war euphorisch und aufgeregt und uns wurde klar, dass das wahrscheinlich der einzige Tag im Jahr ist, an dem sie wirklich etwas geschenkt bekommen. Am Ende kam dann noch eine Gruppe von Jugendlichen, die als eine Art Sternsinger fungierten und Weihnachtslieder sangen und dazu tanzten vorbei – auch hier durfte der tanzende Santa Claus natürlich nicht fehlen!

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Unser „Rudolph“-Tanz

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Auch wir übernahmen an einem anderen Tag dieses stersingermäßige „Carol Singing“, allerdings in Chundale, also dort, wo Louis normalerweise wohnt: Mit einer gemischten Gruppe von Kindern und Erwachsenen und dem obligatorischen Weihnachtsmann zogen wir durch die verstreuten Minisiedlungen und sangen abwechselnd englische und Malayalam-Weihnachtslieder (von letzteren habe ich genau eins mehr oder weniger gelernt, bei den anderen setzten wir dann aus) – einmal wurde von uns sogar ein deutsches verlangt, woraufhin wir lautstark „Stern über Bethlehem“ skandierten. An diesem Abend sind wir dann tatsächlich fast fünf Stunden (von sechs bis elf) um die Häuser gezogen und ich war wirklich beeindruckt von den Kindern, die diese anstrengende Aufgabe (+ tanzen!) ohne Murren und Knurren durchzogen. Es war aber eine wirklich schöne Erfahrung, da wir dort wirklich mitten im Nirgendwo waren, was bedeuten soll, dass es keinerlei Lichverschmutzung gab und ich noch nie in meinem Leben einen so klaren Nachthimmel mit so leuchtenden Sternen gesehen habe! Als wir dann endlich fertig waren, haben wir es uns deshalb auch nicht nehmen lassen, uns in Decken eingemummelt auf die Dachterrasse zu legen, den Himmel zu bewundern und dabei Marzipan zu schnabulieren – wir haben sogar eine Sternschnuppe gesehen! – bis uns die Kälte dann doch letztlich nach unten getrieben hat. Beeindruckend war auch (entschuldigt, wenn ich dieses Wort inflationär benutze, aber was gesagt werden muss, muss gesagt werden!), dass wir nicht nur bei christlichen Häusern geklingelt haben, sondern überall vorbei gegangen sind und auch (fast – von einer Moschee wurden wir traurigerweise mit den Worten „Allahu akbar“ vertrieben) überall freundlich aufgenommen wurden und wirklich jeder von den noch so armen Leuten etwas Geld in einen Spendenkorb gelegt hat; leider weiß ich nicht, zu welchem Zweck es gesammelt wurde.

Am 24. selbst gab es dann schließlich eine fast dreistündige Mitternachtsmesse mit Prozession in die Kirche und im Anschluss ein gemeinsames Kuchenessen im Konvent. Auch hier waren die Schwestern wieder super aufgedreht und machten die ganze Zeit Scherze über die Uhrzeit; eine von ihnen war auch in der Kirche eingeschlafen, wofür sie natürlich pausenlos von den anderen aufgezogen wurde. Ansonsten war aber an diesem und auch am nächsten Tag, dem 25. im Konvent erstaunlich wenig los – dafür veranstalten Louis, Selma und ich unsere eigene kleine Heiligabendfeier bei uns im Hostel bei Kerzenschein, Plätzchen und einem geschmückten Herbert, unserer geliebten Topfpflanze. Dort sangen wir gemeinsam Weihnachtslieder (à la „Oh Herbertbusch!“) und hatten unsere eigene Minibescherung – wir hatten uns darauf geeinigt, uns nichts zu kaufen, aber uns gegenseitig Briefe zu schreiben. Außerdem konnte ich noch ein Päckchen meiner Familie öffnen, worüber ich mich ebenfalls sehr gefreut habe.

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Also auch, wenn es jetzt vielleicht ein bisschen spät ist – frohe Weihnachten an alle!

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