Update: Pippo Cup, Schulausflug und ein bisschen Genderkrams

 

Seit wir im Januar von unserer Kulturreise im Norden zurückgekommen sind, ist hier auch wieder Alltag eingekehrt – die letzten Wochen, bzw. Monate habe ich also im nun schon bereits gewohnten Gang als Lehrerin an der Pippo Buono School verbracht. Auch hier gab es jedoch einige größere Ereignisse, von denen ich kaum Zeit hatte zu berichten, weshalb ich hier hauptsächlich ein paar Fotos zeigen möchte: Am 8. Februar feierte die Schule ihren „Annual Day“, was ein Riesenbühnenprogramm mit monatelanger Vorbereitung und vielen tollen Tänzen und Aufführungen bedeutete. Wir konnten helfen, die aufgeregten Kinder in Kostüme zu stecken und sahen uns begeistert an, was sie stolz vorführten – ich fühlte mich stark an meine Zeit als Tanzschülerin in Deutschland und unsere Aufführungen erinnert, die mir immer unglaublich viel Spaß gemacht haben, und genoss die freudig aufgeregte Stimmung unter den Kindern, die meine Gedanken sofort in diese besonderen Momente katapultierte, sehr.

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Kurz darauf fand ein Schulausflug statt, für den wir zusammen mit geschätzt mindestens 50 Kindern in einen Vergnügungs- und Wasserpark fuhren und einen tollen Tag verbrachten – angefangen schon auf der Busfahrt, für die die Schwestern einen typisch indischen „Partybus“ gemietet hatten, der während der Fahrt plötzlich laute Musik zu spielen begann und die Discobeleuchtung anschmiss, sodass alle Kinder (und ein paar gewisse Kind gebliebene Lehrerinnen) zu tanzen anfingen.

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Diesen Tag werde ich mir definitiv in Erinnerung behalten, sowohl die abgedrehte und in jedem Sinne „indische“ Busfahrt (wenn es um eine Kurve ging oder der Bus bremsen musste, sind natürlich irgendwelche Kinder durcheinandergepurzelt), als auch die glücklichen Schwestern beim Autoscooter-Fahren, die sich diebisch darüber freuten, die anderen crashen zu können oder die euphorisierten Kinder, die im Wasser spielten.

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Auch eine unangenehme Situation bleibt mir wohl im Kopf: Als wir drei fragten, ob wir ebenfalls ins Wasser könnten, hieß es von unser Vorgesetzten-Schwester deutlich nein – das Becken sei für Kinder, was verständlich gewesen wäre, hätte sie nicht nachgeschoben, „aber Louis darf gerne rein“. Offensichtlich ging es darum, dass es sich für Frauen nun einmal nicht gehörte, sich so zu benehmen, womit wir uns nur widerwillig aber doch irgendwie abfanden – bis wir in einem anderen Becken auch Frauen mit Saris entdeckten. Daraufhin machten wir den Fehler, einfach mal zu hoffen, dass es doch bestimmt nicht so auffällig wäre, wenn wir uns auch etwas abkühlten (in voller Bekleidung – so beschränkt hier im Bikini herumzulaufen sind wohl noch nicht einmal wir :D), was den Schwestern natürlich nicht verborgen blieb und im Nachhinein nicht gerade schlau war. Zum Glück konnten wir nachher alles in einem Gespräch mit Sister Agostina erklären, die uns darlegte, dass wir als Ausländerinnen hier sowieso bereits sehr auffällig wären und von einer Menge Leute beobachtet und auch fotografiert werden würden, womit sie leider Recht hat, weshalb wir uns so etwas in der hiesigen Kultur doch eher Ungewöhnliches nicht unbedingt leisten sollten. In solchen Momenten spürt man dann doch einen riesigen kulturellen Unterschied; nicht nur, dass die Rollenbilder bezüglich der Geschlechter so unglaublich festgefahren sind und jede Bewegung registriert, beobachtet und nach uns fremden Regeln beurteilt wird, sondern auch, dass man uns so etwas nicht im Vorhinein oder zumindest auf die Nachfrage hin, weshalb es nun für Louis kein Problem sei, direkt erklären konnte. Im Gegensatz zu der uns bekannten Kultur ist Direkt- und Offenheit hier nicht immer geschätzt, sondern es wird erwartet, dass man Anweisungen, gerade wenn sie von einer Autorität kommen, widerspruchslos folgt. Ich habe diese Unpässlichkeit hier beschrieben, um kein falsches Bild zu erwecken: Ja, auch wir erleben Konflikte und es nicht immer alles so einfach, wie fröhliche Kinderbilder es zeigen. Trotzdem war das nur ein ganz kleiner Teil des Tages, den wir wirklich in vollen Zügen genossen haben, deshalb hier noch einige Bilder von all den schönen Momenten!

 

 

 

 

So, und jetzt ist es an der Zeit für etwas Selbstbeweihräucherung: Wir drei haben es tatsächlich geschafft, unser erstes eigenes Projekt durchzuführen und es war ein voller Erfolg! Diesen Freitag veranstalteten wir mit der dritten, vierten und fünften Klasse ein Fußballturnier, den „Pippo Cup“. Im Vorhinein konnten wir immer wieder einmal einzelne Klassen zum „Coaching“ nehmen – hauptsächlich Louis‘ Aufgabe, der in Deutschland schon lange in einem Fußballverein spielte und ohne den wir wahrscheinlich aufgeschmissen gewesen wären – aber auch Selma und ich haben uns Mühe gegeben. Eine besonders schwere Aufgabe war es, die Mädchen zum Spielen motivieren oder ihnen überhaupt zu erklären, was sie tun sollten: Im Gegensatz zu den Jungs wussten sie oft gar nicht, wie man überhaupt spielt und wozu sie dort auf dem Platz standen, aber wir hatten uns vorgenommen, dass in jedem Team auch ein festgelegter Anteil Mädchen spielen sollte. Deshalb hat es mich immer besonders gefreut, wenn ich gesehen habe, dass auch sie Spaß am Spiel entwickelt haben, zum Ball gelaufen sind oder erfolgreich abgewehrt haben. Auch hier hat man wieder einmal gemerkt, wie früh die Kinder bereits in ihre Geschlechterrollen hineinerzogen werden: Während die Drittklässler-Mädchen dem Ball noch ungehemmt hinterherlaufen, zieren sich die Fünftklässlerinnen schon deutlich mehr: Einerseits liegt das wohl daran, dass bei ihnen vielleicht schon teilweise die Pubertät anfängt, andererseits hat ja auch das Beispiel aus dem Wasserpark gezeigt, wie wichtig diese Rollenbilder hier zu sein scheinen. Übrigens wurde Selma und mir auch gesagt, dass wir – Im Gegensatz zu Louis natürlich – nicht mit Fußball spielen sollten, weil die Fahrer, die die Kinder nach der Schule abholen, uns dabei sehen könnten. In Deutschland hätte mich so etwas wohl unendlich aufgeregt, aber hier füge ich mich inzwischen – verändern können ausgerechnet wir daran wohl sowieso kaum etwas, aber immerhin durften die Mädchen mitspielen und haben hoffentlich gelernt, wieviel Spaß ein „Jungssport“ machen kann.

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Nun aber einmal unabhängig davon: Das Turnier lief super! Zwar flog uns ein Tor fast davon, aber sowohl Kinder als auch Schwestern waren begeistert und hatten sichtlich viel Spaß. Eine der Schwestern kam im Nachhinein extra noch einmal zu uns, um uns zu danken und selbst von Sister Agostina haben wir ein Lob bekommen – man sollte erwähnen, dass Lob und Komplimente hier (außer sie beziehen sich aufs Aussehen) deutlich spärlicher gesät sind als in Deutschland, weshalb man sich darüber immer wieder besonders freut.

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Schließlich gewann verdient ein Team aus der Fünften, die „Blue Star Strikers“ – unsere heimlichen Lieblinge aus der Dritten (die „Kerala Blasters“) schafften es immerhin auf Platz drei (von sieben Teams) und gewannen zwei Extra-Preise von uns, ‚Bester Spieler‘ und ‚Beste Spielerin‘ des Turniers, über die sie sich ganz besonders freuten. Wir hoffen, dass so ein Fußballturnier eine Freiwilligentradition wird und können es den nachfolgenden Generationen nur sehr ans Herz legen!

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