Advent, Advent,… und das Zwischenseminar

Hallo Freunde der Sonne!

Ich habe mich ja jetzt ein Weilchen nicht mehr gemeldet – dabei ist so viel passiert! Deshalb wird das jetzt wohl ein relativ langer Beitrag; denjenigen, die meine Rundmail bekommen, würde ich aber empfehlen, nur noch den letzten Abschnitt zu lesen – ich habe mir einmal erlaubt, den Rest zu kopieren, da sich das allermeiste, was ich schreiben wollte, sowieso überschneidet.

Das Zwischenseminar

Am 25.11. fing unser Zwischenseminar an, was für uns auch oder vor allem das Wiedersehen mit den anderen Freiwilligen bedeutete. Zwar lag es ziemlich früh im Jahr nach gerade einmal drei Monaten Aufenthalt, doch besonders wegen der Situation mit Louis waren wir sehr glücklich darüber, dass sich Gesprächsmöglichkeiten ergeben haben: Er darf jetzt nämlich tatsächlich drei Mal die Woche bei uns schlafen, was davor noch unmöglich schien. Die Zeit war generell toll und voller Erfahrungen und Glücksmomente, die ich hier gar nicht alle beschreiben kann, deshalb werde ich mich wohl auf ein paar Highlights beschränken: Direkt am ersten Tag nach der Ankunft der anderen Freiwilligen zusammen mit Francis und Ewa, unseren Organisatoren aus Deutschland, die ebenfalls super nett sind (das Zwischenseminar fand hier bei uns in Puthupaddy statt) haben wir einen größeren Ausflug gemacht: Father Francis, der aus dieser Gegend in Indien kommt, hat hier glücklicherweise unglaublich viele Kontakte und so haben wir viele Privatmenschen und Familien kennengelernt, wozu wir andernfalls wahrscheinlich nie die Möglichkeit gehabt hätten. So konnten wir eine Frau besuchen, die bereits in der UNO zum Thema Kinderrechte (in Indien und weltweit) gesprochen und gearbeitet hat. Nicht nur, dass das Gespräch mit ihr unfassbar interessant war (ich hätte sie noch stundenlang ausfragen können – zum Beispiel haben wir herausgefunden, dass es in Indien inzwischen auch offiziell verboten ist, Kinder zu schlagen, die Lehrer jedoch erstens keine anderen Wege kennen und zweitens auch von Seiten der Eltern großer Druck ausgeübt wird, dass ihre Kinder „richtig“ erzogen werden. Und da wird, so paradox das klingen mag, der altbewährten Methode, die sie so auch am eigenen Leib erlebt haben, das meiste Vertrauen geschenkt. Dennoch war es erleichternd für mich zu erfahren, dass es immerhin Entwicklungen weg von dieser Tradition zu geben scheint: Dass so etwas eine Weile braucht, um sich in den Köpfen der Menschen festzusetzen, ist ja allgemein bekannt -), wir hatten auch die Gelegenheit in einem Fluss zu „schwimmen“ – soll heißen: eher gegen die Strömung anzukämpfen – und als wir endlich eine ruhige Stelle gefunden hatten, wo man sich sogar hinsetzen konnte, wurde uns von draußen sogar noch gekühltes Bier gebracht. Was kann man sich mehr wünschen?!

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Für mich war dieser Tag das absolute Highlight des ganzen Seminars – dazu kam auch noch, dass der Mann der Kinderrechtsfrau ein Yogaguru war und uns das ein oder andere Interessante erzählen konnte UND in ihrem Haus, typisch indisch, die ganze Familie wohnte, darunter auch ein kleines Kind, was zwar kein Englisch konnte, aber von meinen Minibrocken Malayalam so angetan war, dass es unablässig mit mir spielen und sich unterhalten wollte. Leider war die Zeit dort viel zu kurz – Louis, Selma und ich hoffen, dass wir vielleicht noch einmal zurückkommen können.

Auch an den anderen Tagen haben wir schöne Erfahrungen gemacht, z.B. einen traditionell keralesischen Künstler besucht, der sich auf das Thema „Integrationskunst“ spezialisiert hatte und somit Motive aus den verschiedensten Religionen malte.

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Am letzten Abend hier im Konvent führten dann Schwestern und Anwärterinnen ein Sing- und Tanzprogramm auf, welches damit endete, dass wir alle zusammen auf der Bühne tanzten: Erst Macarena, was wir den Anwärterinnen einmal beigebracht hatten, und dann legte eine Schwester auf einmal eine beeindruckende improvisierte Show ein: Sie begann Dancemoves auszupacken, bei denen wir alle mitmachten, und die wir uns definitiv für unseren nächsten Clubbesuch in Deutschland merken müssen: Wer denkt, dass die Schwestern aus „Sister Act!“ cool sind, hat wohl unsere Sister Ivana noch nicht gesehen – die toppt sie um Längen!

Nach diesem genialen Abend wurde dann das Ende des Seminars nach Kochi verlegt.

 

Kochi

Bei Kochi oder auch Cochin handelt es sich um eine größere Touristenstadt, die mittig von Kerala an der Küste liegt. Wobei – „an“ der Küste ist vielleicht schon falsch ausgedrückt, da sich ein großer Teil der Stadt auf verschiedene Inseln erstreckt: Da wäre das bei Touristen äußerst beliebte Fort Kochi, das jüdisch geprägte Matancherry (beides Inseln) und schließlich Ernakulam, das Festland, was eher den indischen Städten gleicht, die wir bereits kennen, soll heißen ein bisschen schmuddeliger und weniger touristisch, dafür natürlich billiger und mit seinem eigenen Charme. Die ersten beiden Tage in Kochi verbrachten wir noch zusammen mit unseren Seminarleitern Ewa und Francis, der direkt eine wunder-, wunderschöne Backwatertour für uns organisiert hatte. Nicht ohne Grund sind die Backwaters Keralas legendär und gelten als ein absolutes Topreiseziel in Südindien: Während der Tour saßen wir auf einem hölzernen Boot und wurden durch sich schlängelnde Flussarme inmitten der idyllischen Palmen, Mangobäume, Seerosen und Lotusblumen gerudert, während wir das Zusammenspiel des blauen Himmels, der grünen Natur und deren Spiegelung auf dem Wasser bestaunen durften. Perfekt wurde der Ausflug dann dadurch, dass wir uns untereinander super verstanden haben – und dass zwischendrin Minibananen ausgeteilt wurden!IMG_0275Dreierfoto BackwatertourIMG_0234

 

Nur am Ende des Tages machten wir dann eine etwas ernüchterndere Erfahrung: Weil Francis mitbekommen hatte, wie gerne wir alle einen Elefanten sehen wollten, führte er uns nach der Backwatertour stolz zu einem Hindutempel, um uns allen eine Freude zu bereiten. Als wir dort eintraten und tatsächlich zwei leibhaftige Elefanten sahen, war unser aller Begeisterung erst einmal groß. Genauso schnell verging sie jedoch auch den Meisten von uns wieder: Mit schwerem Metall an Beinen und Hals festgekettet und kaum in der Lage sich auch nur einen einzigen Meter zu bewegen stießen die riesigen Tiere klagende Laute aus. Während der eine recht ruhig war, schwankte der zweite pausenlos hin und her und fühlte sich ganz offensichtlich nicht wohl. Dieser Anblick versetzte den Meisten von uns eher Magenschmerzen als Freude, aber immerhin wissen wir jetzt, wie die Haltung dieser Tiere hier tatsächlich aussehen kann und überlegen uns den typischen Touri-Elefantenritt vielleicht noch einmal.

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Die nächsten Tage wurden dann zum Shoppen – soll heißen: feilschen, feilschen, feilschen! –, Entdecken der besten Cafés (falls irgendjemand hier einen Ausflug nach Kochi plant: Das „Teapot“ ist ein absolutes Muss!) und Sightseeing genutzt, erst noch mit Ewa, dann hatten wir noch zwei Tage Urlaub unter uns Freiwilligen.

Diese Zeit nutzten wir unter anderem dazu, uns eine Kathakali-Aufführung anzusehen. Dabei handelt es sich um ein uraltes traditionelles Tanztheater, basierend auf den alten indischen Legenden.

Im Normalfall geht eine Aufführung viele Stunden lang und ist für Außenstehende, die diese Schriften und die Kunst des Kathakali nicht eingehend studiert haben, kaum zu verstehen, jedoch haben wir uns in eine Darbietung begeben, die auf Touristen abzielte und nur 90 Minuten lang war. Sicherlich nicht die authentischste Erfahrung (im Publikum saßen ausschließlich Weiße), aber immerhin verständlich für uns, da eine Geschichte auf Englisch ausgeteilt wurde, die die Tänzer darstellten und uns anfangs einige Gesten erklärt wurden – im Kathakali hat jede einzelne Bewegung eine Bedeutung. Dabei spielen übrigens besonders die Augen eine große Rolle, die nicht selten weit aufgerissen und gerollt werden. Dazu kommen unglaublich aufwendige Kostüme und Gesichtsbemalungen: Da wir relativ früh kamen, hatten wir die Gelegenheit den Tänzern bei ihrer komplizierten Schminkprozedur zusehen zu können. Insgesamt war diese Erfahrung auf jeden Fall fremdartig aber sehr beeindruckend und ich bin wirklich glücklich darüber, dass ich dieses Spektakel miterleben durfte.

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Hier noch ein paar Eindrücke mehr aus Kochi:

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St. Francis Church, Kochi

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Zurück im Projekt, Adventszeit und neue Motivation

Nun sind wir seit etwa zwei Wochen wieder in unserem Projekt zurück und haben den Alltag wieder aufgenommen, begleitet von neuer Motivation: Während des Seminars haben wir viele Projektideen gesammelt, die wir hoffen, zeitnah umsetzen zu können, wie zum Beispiel ein Weihnachtsbasteln mit den Kindern oder einen Umweltschutzprojekttag, bei dem wir vor allem über den Umgang mit Müll sprechen wollen. Hier liegt so viel davon auf der Straße herum und auch bei den Schwestern sehen wir immer wieder, wie zum Beispiel leer gegessene Packungen einfach auf den Boden geworfen werden. Leider mangelt es in der Öffentlichkeit auch stark an Mülleimern, weshalb das Ganze nicht so einfach zu lösen ist, wie wir das gerne hätten. Dennoch planen wir z.B. einige Re- und Upcycling Ideen, wie das Bepflanzen von leeren Plastikflaschen.

Außerdem hat nun die Adventszeit begonnen, die hier in Indien zwar nicht gefeiert wird, aber davon lassen Selma und ich uns nicht abhalten! Wir haben sowohl für uns, als auch für die Kinder einen Adventskalender entworfen: In unserem finden sich täglich Snacks, Süßigkeiten oder geplante Aktivitäten, bei den Kindern meist Spiele oder Lieder die wir zusammen singen. Leider hapert es an der Ausführung ein wenig, weil aktuell Exams geschrieben werden, was für uns bedeutet, dass wir ziemlich selten unterrichten und die allermeiste Zeit mit Abtippen und Ausdrucken der Fragebögen beschäftigt sind. Trotzdem haben wir nun in jeder Klasse das Thema „Christmas“ angefangen und schon Weihnachtslieder zusammen gesungen – letztens konnten wir sogar einmal eine Weihnachtsgeschichte vorlesen und gleichzeitig an die Tafel malen. Übrigens – und darüber freuen wir uns ebenfalls sehr – lernen wir mit den Kindern auch zusammen einen Weihnachtstanz zu „We wish you a merry christmas“.

Um unser Hostel noch mehr zu „verweihnachtlichen“ haben wir uns einen provisorischen Adventskranz aus einer Getränkedose gebastelt und uns unseren neuen Mitbewohner Herbert zugelegt. Herbert ist eine Pflanze, aber das hält uns nicht davon ab ihn umso mehr zu lieben und ihn mit Weihnachtsschmuck einzudecken! Zusätzlich zu unseren eigenen Adventskalendern haben Selma und ich dann nämlich auch noch Päckchen von unseren Familien bekommen – sie einen Schokoladen- und ich einen Teeadventskalender – in denen unter anderem auch besagter Weihnachtsschmuck und Plätzchen waren. Über das Paket habe ich mich wirklich unglaublich gefreut und hier schmeckt alles fast noch besser als zu Hause!

Herbert
Herbert, Gattung: herbertus, herbertus

Hier in Indien ist übrigens auch eine Art Weihnachtswichteln eine Tradition: Nicht nur bei uns im Konvent, sondern anscheinend in jeder erdenklichen Schule oder Jugendgruppe werden sogenannte geheime „Christmas friends“ gezogen: Für diese Person soll man dann jeden Tag bis zum 25. beten, man kann ihr zwischendurch anonyme Briefe schreiben und am Ende schließlich ein kleines Geschenk besorgen. Irgendwie ist das noch persönlicher und gefällt mir besser als das deutsche Wichteln – vielleicht vor allem, weil die Schwestern mit einem unglaublichen Elan dahinter sind und einem jeden Tag mit einem spitzbübischen Lächeln mehr Informationen über seinen geheimen Freund entlocken wollen. Ich freue mich sehr, zu erfahren, wie Weihnachten dann hier genau gefeiert wird, auch wenn ich das deutsche Fest und vor allem den Schnee, der dieses Jahr ja besonders extrem sein soll, natürlich vermissen werde.

Eine kleine Weihnachtsfeier haben wir sogar schon erlebt: Father Davis, bei dem Louis in Chundale wohnt, lud uns zu einem Programm ein: Anfangs lief es ziemlich nach Erwartung ab – ein langes Gebet auf Malayalam, andächtige Stimmung und mehrere Reden. Doch dann wurde auf einmal laute Partymusik angeschmissen und ein Inder, der sich als Weihnachtsmann mit Sonnenbrille verkleidet hatte, fing an zu tanzen. Dieser krasse Gegensatz war so absurd, dass wir kaum unseren Augen trauen konnten, aber natürlich alle sehr viel zum Lachen hatten. Es folgte ein ereignisreicher Abend: Tatsächlich sahen wir noch etwas Programm, darunter verschiedene Tänze. Besonders auffällig waren die Tribals, kaum in die Gesellschaft integrierte Ureinwohner, die meist abseits in kleinen Lehmhütten wohnen und sehr arm sind. Father Davis ist es sehr wichtig, auch diese Gesellschaftsgruppe zu einzubinden, zu welchem Zweck er verschiedene Programme am Laufen hat: Aktuell hat er zum Beispiel Hühner gekauft, um ihnen beizubringen, wie man sie halten kann.

Daher hatte er sie auch für das Programm eingeladen und eine Gruppe Frauen tanzte wie in Trance sehr langsam, unterbrochen nur von lautem Kreischen zwischendurch, zu schneller, von den Männern gespielten, Trommelmusik. Diese Erfahrung war definitiv faszinierend, auch wenn wir im ersten Moment gar nicht wussten, was wir damit anfangen sollten, da es so ungewöhnlich wirkte. Schlussendlich tanzten wir uns dann noch mit den Kindern und einer Gruppe Jungs, die ungefähr in unserem Alter waren, die Seele aus dem Leib und hatten einen tollen Abend!

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Gestern haben Selma und ich dann erstmal einen Schocker erlebt: Wir waren gerade in einer anderen Stadt einkaufen, als ich dann von Sister Agostina einen Anruf erhielt, in dem sie mich nach dem Ersatzschlüssel für unser Hostel fragte – anscheinend sollte in wenigen Stunden eine unbekannte Inderin bei uns einziehen und dort für mindestens vier Monate bleiben! Natürlich malten wir uns erst einmal das Schlimmste aus – was wäre, wenn jetzt plötzlich eine alte Schreckschraube zu uns zieht, in deren Anwesenheit wir keine Musik mehr anmachen können, unsere Workouts aufgeben müssen, natürlich nicht mehr nur noch in Unterwäsche herumrennen können und unser ganzes Privatleben an die Schwestern verpetzt werden würde?! Aber glücklicherweise sah die Realität dann ganz anders aus: Unsere Mitbewohnerin ist eine 29-jährige Ärztin namens Anju, die sehr gut englisch spricht, supernett und aufgeschlossen ist und prompt bei unserem Workout mitmachte. Ganz aufgeregt erzählte sie uns, dass sie davor noch kaum Kontakt zu Ausländern hatte und wie glücklich sie auch mit uns sei. Inzwischen sind wir uns sicher, dass bestimmt gute Freunde werden und sie vermissen werden, sobald sie wieder weg ist. Und wieder haben wir etwas dazugelernt: Sich die Stimmung vermiesen lassen, bevor man überhaupt weiß, was einen erwartet, ist wirklich nicht besonders intelligent :).

Das war’s dann von mir, ich hoffe euch allen geht es auch gut und ich wünsche euch jetzt schon einmal frohe Weihnachten und einen guten Rutsch – wer weiß, wann ich mich das nächste Mal melde – geschweige denn meine Weihnachtspost ankommt, die leider erst morgen abgeschickt wird, weil gewisse anonyme Personen leider nicht in der Lage waren, das Post Office zu finden.

Weihnachtliche Grüße,

Marie

 

 

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