Nicht mehr alleine!

Erstmal – ja, ich habe meinen (unausgesprochenen) Vorsatz gebrochen, mich wöchentlich zu melden, aber immerhin habe ich eine mehr oder weniger gute Ausrede: Das Wlan hier hatte besonders in letzter Zeit ernsthafte Probleme, so dass ich nun auf das mobile Netz zurückgreife, was allerdings nur ab ca. Mitternacht bis 7 Uhr morgens gut genug funktioniert, um tatsächlich etwas hochzuladen. 

Dabei gibt es wirklich einige Dinge, die ich gerne erzählen möchte, das Wichtigste zuerst: Meine Mitfreiwillige Selma ist vor fünf Tagen endlich angekommen, sodass ich hier nun nicht mehr alleine wohne und jemanden habe, mit dem ich meine Zeit verbringen kann. Wir kommen auch wirklich gut miteinander aus, sodass ich mich auf das Jahr nur freuen kann! 

Dadurch, dass sie nun da ist, habe ich auch mein Zimmer gewechselt: Zuvor habe ich ja direkt bei den Schwestern im Konvent gewohnt, wohingegen ich jetzt ein Zimmer in einem Hostel, die Straße herunter habe. Ich finde das super, denn auch wenn mein Zimmer kleiner ist, bin ich hier normalerweise mit Selma alleine und wir haben sogar (mit viel Fantasie) eine Art Aufenthaltshalle, können Spiele spielen und Tee trinken (oder, wie gestern – ein Workout machen) und haben generell mehr Privatsphäre als ich es von vorher gewohnt war – wobei auch nicht ganz so viel, wie ich anfangs dachte, da hier anscheinend auch immer zwei Schwestern schlafen und es praktisch keine Schallisolation gibt, weshalb dann gerne an die anderen Schwestern weitergetragen wird, wie lange wir noch geredet haben, weshalb dann tagsüber mindestens 10 Mal die Frage aufkommt, ob wir nicht müde sind oder doch mal früher (als zu für uns vollkommen normalen Zeiten) ins Bett gehen wollen. Diese ständige Kontrolle, die sich hier auf so ziemlich alles bezieht („Das Oberteil könntest du aber auch bügeln.“ „Wann hast du das letzte Mal deine Bettwäsche gewaschen?“ „Das ziehst du bitte nicht mehr in der Öffentlichkeit an“) ist generell wohl das, was mich hier bisher am meisten stört. Natürlich ist es gerade hier besonders wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Schwestern diese „Ratschläge“ keinesfalls böse meinen und uns wahrscheinlich einfach helfen wollen uns in ihrer Kultur einzufinden. 

Außerdem hatten wir seitdem Selma da ist tatsächlich kaum Freizeit – einerseits natürlich schade, andererseits hatte ich wirklich keine Gelegenheit mehr mich zu langweilen. Das liegt daran, dass im Oktober der Rosenkranz-Monat ist, weshalb es jeden Tag nach der Teatime zum Rosenkranzgebet zu einer Familie geht – etwas, was ich in Deutschland wahrscheinlich als absolute Horrorvision angesehen hätte. Hier finde ich aber tatsächlich ganz schön, dass man so mit den Leuten aus der Gemeinde in Kontakt kommt, die alle supernett sind – oftmals wurden wir auch direkt spontan noch zu irgendwem nach Hause eingeladen, um – ein weiteres Mal – zusammen Tee zu trinken, Gebäck zu essen und die Familie vorgestellt zu bekommen, die hier gefühlt den wichtigsten Teil der Identität ausmacht. Das ist dann natürlich auch immer eine gute Gelegenheit mal meine Malayalamkenntnisse auszupacken – zwar kann ich immer noch sehr wenig, aber es reicht, um manchmal zu verstehen, worüber gesprochen wird und ein Minigespräch (oft mithilfe von einer Schwester) à la „Ich heiße Marie, mir geht es gut, ich komme aus Deutschland, habe zwei Brüder und bleibe für ein Jahr hier.“ zu führen – das war es dann aber auch so ziemlich. Das Gebet an sich zieht sich für Selma und mich meistens ziemlich, wobei wir gestern auch eine sehr schöne Erfahrung gemacht haben – es wurde, statt den Text herunterzuleiern ganz viel in wirklich schönen Gesang verpackt und an jeden eine Kerze verteilt. Als dann ein für hier sehr typischer Stromausfall auftrat, sah man plötzlich nur noch das Kerzenlicht – ein wirklich magischer Moment! 

Trotzdem ist es aber so, dass es in letzter Zeit wohl etwas viel für mich war – ich habe mir leider eine ziemliche Erkältung zugezogen und habe gerade praktisch keine Stimme – wer mich kennt, wird mir wohl zustimmen, dass das für mich so ziemlich die Höchststrafe ist 😀 – aber es reicht noch gerade so für die wichtigsten Sachen und zur Not muss eben geflüstert werden – nur das Unterrichten klappt eben gerade nicht, wobei ich trotzdem immer zur Schule komme, um Selma bei der Vorbereitung zu unterstützen, mich zu den Störenfrieden im Unterricht zu setzen, damit sie etwas leiser werden und mich vom Schulcomputer aus um ihre Registrierung zu kümmern. Inzwischen bin ich auch wirklich an einem Punkt, an dem ich mich wieder absolut fit fühle – nur meine Stimme will eben noch nicht so ganz. 
Was davor noch so passiert ist…

Bevor Selma kam, waren hier natürlich auch noch ein paar Dinge los, über die ich noch nicht berichtet habe – zuallererst mal: mein normaler Alltag. Der sah an einem Schultag in etwa so aus:

7:20 – aufstehen und schnell kalt  duschen (warmes Wasser gibt es nicht)

7:45 – Frühstück mit den Schwestern im Konvent

9:00 – Ich soll an der Schule sein, um Nachhilfe zu geben

9:45 – Die erste Stunde beginnt

12:45 – Mittagspause und Zeit zu essen

15:40 – Der Unterricht ist vorbei: Eigentlich kann ich danach noch mit dem Schulbus die Kinder nach Hause bringen, aber da die Schwester mit dem Vorschlag gewartet hat, bis ich meine Schiene los war und ich mir bald danach die Erkältung zugezogen habe, bin ich bisher nur einmal mitgekommen. Das war allerdings eine sehr schöne Erfahrung, da ich mal ungezwungen mit den Kindern reden und spielen konnte und wir sehr viel Spaß hatten.

Danach (offiziell um 16 Uhr, aber wenn man den Schulbus nimmt, eben später) – Teatime mit Tee und (hoffentlich) Gebäck 

19:45 – Abendessen

Zwischen der Teatime und dem Abendessen habe ich mich zuvor eben hin und wieder gelangweilt – wobei ich auch manchmal mit den Schülerinnen Badminton spielen konnte oder zusammen einen Spaziergang durch die wunderschöne Landschaft unternehmen, was ich sehr genossen habe. 

Ausnahmen vom Alltag gab es immer für sogenannte „Programs“ – also Musik und Tanzaufführungen, die es hier zu gefühlt wirklich jeder Gelegenheit gibt und die immer Spaß machen. Bei der letzten konnte ich dann auch endlich selbst wieder einmal tanzen – das war wirklich sooo toll für mich, da ich das wirklich vermisst habe. Ich habe einen für mich in Deutschland choreografierten Tanz (eigentlich ein Duett) gezeigt, aber für nächstes Mal lautet dann der Plan: Indisch tanzen lernen! 
Ein anderer Tag, der sehr schön war, war ein Ausflug mit Louis, einem Father und ein paar Schwestern aus dem Nachbarort, bei dem wir verschiedene Stellen an der Küste besucht haben und schließlich auch selbst einmal (nur bis zu den Knien – hier gibt es keine Badesachen) ins Wasser gehen konnten. Wir haben sogar eine Bootstour durch idyllische Palmenbuchten unternommen und konnten am Abend schließlich den Sonnenuntergang am Strand beobachten – traumhaft!

Wenn ich ein bisschen nachdenken würde, würde mir jetzt wohl auch  sicherlich noch mehr einfallen – aber ich glaube, der Beitrag ist nun wirklich lang genug, und man kann hoffentlich einen ganz guten Eindruck davon bekommen, wie es mir gerade so geht 🙂 

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