Update: Pippo Cup, Schulausflug und ein bisschen Genderkrams

 

Seit wir im Januar von unserer Kulturreise im Norden zurückgekommen sind, ist hier auch wieder Alltag eingekehrt – die letzten Wochen, bzw. Monate habe ich also im nun schon bereits gewohnten Gang als Lehrerin an der Pippo Buono School verbracht. Auch hier gab es jedoch einige größere Ereignisse, von denen ich kaum Zeit hatte zu berichten, weshalb ich hier hauptsächlich ein paar Fotos zeigen möchte: Am 8. Februar feierte die Schule ihren „Annual Day“, was ein Riesenbühnenprogramm mit monatelanger Vorbereitung und vielen tollen Tänzen und Aufführungen bedeutete. Wir konnten helfen, die aufgeregten Kinder in Kostüme zu stecken und sahen uns begeistert an, was sie stolz vorführten – ich fühlte mich stark an meine Zeit als Tanzschülerin in Deutschland und unsere Aufführungen erinnert, die mir immer unglaublich viel Spaß gemacht haben, und genoss die freudig aufgeregte Stimmung unter den Kindern, die meine Gedanken sofort in diese besonderen Momente katapultierte, sehr.

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Kurz darauf fand ein Schulausflug statt, für den wir zusammen mit geschätzt mindestens 50 Kindern in einen Vergnügungs- und Wasserpark fuhren und einen tollen Tag verbrachten – angefangen schon auf der Busfahrt, für die die Schwestern einen typisch indischen „Partybus“ gemietet hatten, der während der Fahrt plötzlich laute Musik zu spielen begann und die Discobeleuchtung anschmiss, sodass alle Kinder (und ein paar gewisse Kind gebliebene Lehrerinnen) zu tanzen anfingen.

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Diesen Tag werde ich mir definitiv in Erinnerung behalten, sowohl die abgedrehte und in jedem Sinne „indische“ Busfahrt (wenn es um eine Kurve ging oder der Bus bremsen musste, sind natürlich irgendwelche Kinder durcheinandergepurzelt), als auch die glücklichen Schwestern beim Autoscooter-Fahren, die sich diebisch darüber freuten, die anderen crashen zu können oder die euphorisierten Kinder, die im Wasser spielten.

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Auch eine unangenehme Situation bleibt mir wohl im Kopf: Als wir drei fragten, ob wir ebenfalls ins Wasser könnten, hieß es von unser Vorgesetzten-Schwester deutlich nein – das Becken sei für Kinder, was verständlich gewesen wäre, hätte sie nicht nachgeschoben, „aber Louis darf gerne rein“. Offensichtlich ging es darum, dass es sich für Frauen nun einmal nicht gehörte, sich so zu benehmen, womit wir uns nur widerwillig aber doch irgendwie abfanden – bis wir in einem anderen Becken auch Frauen mit Saris entdeckten. Daraufhin machten wir den Fehler, einfach mal zu hoffen, dass es doch bestimmt nicht so auffällig wäre, wenn wir uns auch etwas abkühlten (in voller Bekleidung – so beschränkt hier im Bikini herumzulaufen sind wohl noch nicht einmal wir :D), was den Schwestern natürlich nicht verborgen blieb und im Nachhinein nicht gerade schlau war. Zum Glück konnten wir nachher alles in einem Gespräch mit Sister Agostina erklären, die uns darlegte, dass wir als Ausländerinnen hier sowieso bereits sehr auffällig wären und von einer Menge Leute beobachtet und auch fotografiert werden würden, womit sie leider Recht hat, weshalb wir uns so etwas in der hiesigen Kultur doch eher Ungewöhnliches nicht unbedingt leisten sollten. In solchen Momenten spürt man dann doch einen riesigen kulturellen Unterschied; nicht nur, dass die Rollenbilder bezüglich der Geschlechter so unglaublich festgefahren sind und jede Bewegung registriert, beobachtet und nach uns fremden Regeln beurteilt wird, sondern auch, dass man uns so etwas nicht im Vorhinein oder zumindest auf die Nachfrage hin, weshalb es nun für Louis kein Problem sei, direkt erklären konnte. Im Gegensatz zu der uns bekannten Kultur ist Direkt- und Offenheit hier nicht immer geschätzt, sondern es wird erwartet, dass man Anweisungen, gerade wenn sie von einer Autorität kommen, widerspruchslos folgt. Ich habe diese Unpässlichkeit hier beschrieben, um kein falsches Bild zu erwecken: Ja, auch wir erleben Konflikte und es nicht immer alles so einfach, wie fröhliche Kinderbilder es zeigen. Trotzdem war das nur ein ganz kleiner Teil des Tages, den wir wirklich in vollen Zügen genossen haben, deshalb hier noch einige Bilder von all den schönen Momenten!

 

 

 

 

So, und jetzt ist es an der Zeit für etwas Selbstbeweihräucherung: Wir drei haben es tatsächlich geschafft, unser erstes eigenes Projekt durchzuführen und es war ein voller Erfolg! Diesen Freitag veranstalteten wir mit der dritten, vierten und fünften Klasse ein Fußballturnier, den „Pippo Cup“. Im Vorhinein konnten wir immer wieder einmal einzelne Klassen zum „Coaching“ nehmen – hauptsächlich Louis‘ Aufgabe, der in Deutschland schon lange in einem Fußballverein spielte und ohne den wir wahrscheinlich aufgeschmissen gewesen wären – aber auch Selma und ich haben uns Mühe gegeben. Eine besonders schwere Aufgabe war es, die Mädchen zum Spielen motivieren oder ihnen überhaupt zu erklären, was sie tun sollten: Im Gegensatz zu den Jungs wussten sie oft gar nicht, wie man überhaupt spielt und wozu sie dort auf dem Platz standen, aber wir hatten uns vorgenommen, dass in jedem Team auch ein festgelegter Anteil Mädchen spielen sollte. Deshalb hat es mich immer besonders gefreut, wenn ich gesehen habe, dass auch sie Spaß am Spiel entwickelt haben, zum Ball gelaufen sind oder erfolgreich abgewehrt haben. Auch hier hat man wieder einmal gemerkt, wie früh die Kinder bereits in ihre Geschlechterrollen hineinerzogen werden: Während die Drittklässler-Mädchen dem Ball noch ungehemmt hinterherlaufen, zieren sich die Fünftklässlerinnen schon deutlich mehr: Einerseits liegt das wohl daran, dass bei ihnen vielleicht schon teilweise die Pubertät anfängt, andererseits hat ja auch das Beispiel aus dem Wasserpark gezeigt, wie wichtig diese Rollenbilder hier zu sein scheinen. Übrigens wurde Selma und mir auch gesagt, dass wir – Im Gegensatz zu Louis natürlich – nicht mit Fußball spielen sollten, weil die Fahrer, die die Kinder nach der Schule abholen, uns dabei sehen könnten. In Deutschland hätte mich so etwas wohl unendlich aufgeregt, aber hier füge ich mich inzwischen – verändern können ausgerechnet wir daran wohl sowieso kaum etwas, aber immerhin durften die Mädchen mitspielen und haben hoffentlich gelernt, wieviel Spaß ein „Jungssport“ machen kann.

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Nun aber einmal unabhängig davon: Das Turnier lief super! Zwar flog uns ein Tor fast davon, aber sowohl Kinder als auch Schwestern waren begeistert und hatten sichtlich viel Spaß. Eine der Schwestern kam im Nachhinein extra noch einmal zu uns, um uns zu danken und selbst von Sister Agostina haben wir ein Lob bekommen – man sollte erwähnen, dass Lob und Komplimente hier (außer sie beziehen sich aufs Aussehen) deutlich spärlicher gesät sind als in Deutschland, weshalb man sich darüber immer wieder besonders freut.

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Schließlich gewann verdient ein Team aus der Fünften, die „Blue Star Strikers“ – unsere heimlichen Lieblinge aus der Dritten (die „Kerala Blasters“) schafften es immerhin auf Platz drei (von sieben Teams) und gewannen zwei Extra-Preise von uns, ‚Bester Spieler‘ und ‚Beste Spielerin‘ des Turniers, über die sie sich ganz besonders freuten. Wir hoffen, dass so ein Fußballturnier eine Freiwilligentradition wird und können es den nachfolgenden Generationen nur sehr ans Herz legen!

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Ja, hier werden Kinder geschlagen

Hallo liebe Leute,

heute wollte ich mich einmal einem etwas ernsteren Thema widmen: Wie bereits im Titel erkennbar und von mir bereits vorher eher nebenbei erwähnt, ist es hier an der Schule eine gängige Unterrichtsmethode, die Kinder zur Strafe für ihr Fehlverhalten mit einem dünnen Stock zu schlagen. Das klingt schlimm und natürlich ist es das auch. Jedoch ist es wirklich schwierig, dieses Verhalten von Deutschland aus zu beurteilen – gerade bei der deutschen Reisegruppe, die wir kurz begleiteten, habe ich ein großes Unverständnis, was ja irgendwie selbstverständlich ist, und die Neigung, den Schwestern Vorwürfe zu machen, festgestellt: „Wie scheinheilig kann man denn sein, sich als gläubige Christen zu bezeichnen, von Nächstenliebe zu predigen und Kinder zu schlagen?“ „Warum unternehmen die Religionen, die von Kinderrechten predigen, nichts gegen dieses offensichtliche Übel, sondern kneifen mal eben beide Augen zu? Was für eine Doppelmoral!“ „Eure Aufgabe als deutsche Freiwillige hier, muss es doch sein, zu zeigen, dass ein solches Verhalten menschenverachtend ist und wie man es besser machen kann!“ – und diese Aussagen sind nur teilweise überspitzt dargestellt. Aufgewachsen in Deutschland oder einer westlichen Kultur gelangt man natürlich schnell zu diesen Schlüssen, dabei ist es wichtig, ein Verhalten erst zu verstehen, bevor man es beurteilt oder zu wissen meint, was man besser machen sollte. Nicht falsch verstehen: Ich bemühe mich hier keinesfalls darum, das Schlagen zu rechtfertigen, sondern vielmehr, zu einem etwas differenzierteren Blick anzuregen.

Zuerst einmal: Woraus besteht dieses ominöse „Schlagen“ hier eigentlich? In den meisten Fällen wird der Stick als Drohgebärde angewandt (ja, ich weiß – hier gelangt man schnell in den Bereich der psychischen Gewalt), die heftigsten Schläge werden meistens auf den Tisch ausgeübt, um mit dem lauten Geräusch für Ruhe zu sorgen.  Wenn er dann tatsächlich gegen ein Kind zum Einsatz kommt, läuft es größtenteils so ab, dass die Schüler ihre Handfläche darbieten, und einen Schlag auf den mittleren Teil ihrer Finger erhalten. Selten scheint dieser wirklich weh zutun, aber hier gibt es natürlich Ausnahmen, die ich nicht unter den Teppich zu kehren gedenke: Gerade wenn von Seiten der Schwestern Emotionen mit dabei sind, oder Sr. Agostina, die Schulleiterin und unsere Vorgesetzte, am Werk ist, wird auch mal mehr Kraft aufgewandt, die Kinder verziehen schmerzhaft getroffen ihr Gesicht oder wimmern. Ich finde das schrecklich und muss in solchen Situationen, unmittelbar mit der eigenen Hilflosigkeit konfrontiert, nichts dagegen unternehmen zu können, auch wenn ich direkt daneben stehe, meinen Blick abwenden. Dennoch möchte ich betonen, dass diese brutalen Fälle Ausnahmen sind. Hauptsächlich dient der Stick in der Hand einer Schwester als Zeichen der Autorität, wodurch bereits eine Stimmung erzeugt wird, die seine eigentliche Benutzung selten nötig macht. Auch das finde ich persönlich nicht gut, keine Frage: Von einem derartig autoritären System, welches, wenn schon keine körperliche Gewalt angewandt wird, stattdessen psychische benutzt, um Disziplin zu erzeugen und die Lernmotivation auf Angst fruchten lässt, bin ich definitiv kein Fan, ich empfinde es als regressiv, brutal und natürlich auch viel weniger zielführend als eine positive Motivationsstrategie. So sehe ich das, die ich mein ganzes Leben lang in Deutschland sozialisiert wurde.

Aber weshalb kommt diese Tradition immer noch zur Anwendung, könnte man sich vielleicht fragen, „wir Deutschen“ haben es ja auch geschafft, uns davon fortzuentwickeln, was vor 50 Jahren auch bei uns nach gang und gäbe war. Erstens ist auch Indien in dieser Änderung begriffen: Offiziell ist es bereits verboten, und gerade in größeren Städten auf öffentlichen Schulen beginnen, andere Methoden eingesetzt zu werden. Bis das nach Puthupaddy, unserem kleinen Dorf, durchgedrungen ist und sich in den Köpfen der Leute festgesetzt hat, wird es aber noch dauern. Deshalb sollte man aber nicht dazu übergehen, die Lehrer, die dieser Tradition nachgehen, zu verurteilen. Denn diese sind eben zu einem Großteil in indischen Dörfern sozialisiert, wo die Lebensrealität doch anders aussieht als bei uns. Und selbst wenn sie Zweifel an den Methoden äußern, ist der Druck vonseiten der Eltern unglaublich groß. Wer in Deutschland auf einem Dorf lebt, kennt vielleicht eine milde Variante dessen, was hier zu seiner Höchstform aufläuft: Jeder überwacht jeden und weiß über das Leben eines jeden Bescheid. Auch dieses Denken ist tief in der indischen Kultur verwurzelt, die im Gegensatz zu unserer nicht auf Individualismus sondern auf purem Gemeinschaftsdenken fußt. Ohne vorschnell urteilen zu wollen, würde ich auch vorsichtig vermuten, dass dieser kulturelle Unterschied das Schlagen ebenfalls bestärkt, da das Leiden des Einzelnen eventuell weniger zählt. Stattdessen beruht das System zu einem viel größeren Teil als bei uns auf Disziplin und dieses Denken geht nach der Schule weiter. Wer nicht in der Lage ist, diszipliniert zu arbeiten, hat in der Gesellschaft kaum eine Chance und das soll bereits in der Schule vermittelt werden. Das wissen natürlich auch die Eltern, und ein Lehrer, der sich gegen das Schlagen stellt, gefährdet somit den Ruf seiner Schule, die Kinder richtig zu erziehen und ihnen wichtige Werte zu vermitteln. Außerdem sei gesagt, dass viele es nicht einmal anders kennen und die Kinder, sobald sie diese Strafe einmal anerkannt haben, kaum anders zu bändigen sind.

Eine positive Nachricht habe ich trotzdem: Selma, Louis und ich haben nun ein Belohnungssystem angefangen, welches zumindest in den älteren Klassen recht gut fruchtet: Zu Beginn der Stunde zeichnen wir ein „Silence Heart“ mit Kreide an die Tafel, welches wir direkt ausmalen. Sind die Schüler zu laut, wischen wir oder ein von der Klasse gewählter „Silence keeper“ ein Stück des Herzes weg, sind sie leise, wird es wieder gefüllt. Sollte das Herz zu Ende der Stunde voll sein, machen wir etwas schönes zusammen, spielen also beispielsweise ein Spiel. Mit unserem System wollen wir zeigen, dass es auch andere Wege gibt, bemühen uns aber gleichzeitig, die Schwestern nicht für ihr Verhalten zu verurteilen. In ihren Unterricht einzugreifen oder uns gar anzumaßen, ihnen zu erklären, wie es „besser“ ginge, liegt definitiv nicht in unseren Kompetenzen und würde ein sehr schiefes Machtverhältnis voraussetzen.

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Hyderabad und Kulturreise durch Nordindien

Wie man vielleicht sehen kann, bin ich in der letzten Zeit wirklich sehr viel gereist, was ich auch sehr genossen habe: Nachdem wir drei aus Bangalore zurückkamen, hatten wir kaum Zeit zum Ausruhen, da es drei keineswegs ruhige Tage später schon wieder los in Richtung Hyderabad ging: Während unserer kurzen Zeit zurück im Konvent in Puthupaddy, fand hier nämlich eine First Profession, also eine Einweihung neuer Schwestern und somit ein riesiges Fest statt. Dazu wurde unter anderem die Oberschwester aus Italien eingeladen, weshalb natürlich alles piccobello aussehen musste, nicht zu vergessen von den aufwendigen Dekorationen der Kirche und des Gemeindehauses. Ich muss ehrlich sein: Bei diesen Vorbereitungen haben wir ziemlich wenig geholfen, da wir natürlich alle etwas übermüdet ankamen, riesige Eimer Wäsche vor uns hatten und einfach etwas Ruhe brauchten. Trubelig ging es natürlich trotzdem zu, aber dennoch freuten wir uns auf das Fest, welches dann aber nach einem langen Gottesdienst doch schneller vorbei war als erwartet.

Der Weg nach Hyderabad war leider etwas komplizierter: Da kein Zug oder Bus dorthin durchfuhr verbrachten wir mehr oder weniger freiwillig noch fast einen ganzen Tag in Bangalore, von wo aus wir dann über Nacht weiterfahren konnten. Immerhin kannten wir uns dort schon etwas aus, sodass wir die Zeit nutzen konnten (ehem, drei Stunden bei McDonalds), indem wir uns in eine Boulderhalle begaben. Trotzdem waren wir sehr froh, am nächsten Morgen von unseren beiden Mitfreiwilligen aus Hyderabad, Sarah und Pauline, mit denen wir uns wirklich sehr gut verstehen, abgeholt zu werden und dort in ein Bett sinken zu können. Es folgten zwei tolle Tage in Hyderabad, eine Stadt, die ich als deutlich entspannter, interessanter und schöner als das hektische Bangalore wahrgenommen habe. Zwar war auch hier natürlich viel los, doch ohne es näher beschreiben zu können hat Hyderabad wohl einen ganz eigenen Flair, weshalb ich einen Besuch wirklich nur empfehlen kann. Dort treiben sich auch erstaunlich wenige Touristen herum, was wohl damit zusammenhängen könnte, dass es mitten im Inland gelegen ist. Hier ist mir ein ums andere Mal aufgefallen, dass ich gerne mehr über indische Geschichte und Kultur erfahren würde und bereute es etwas, ein Buch dazu zu Hause gelassen zu haben – das war dem Gewicht meines Koffers geschuldet – habe mir aber definitiv vorgenommen, mir noch mehr Wissen anzulesen. Hyderabad ist stark muslimisch geprägt, was man auch an der Architektur, den vielen Moscheen und der bekannten „Charminar“, einem Triumphbogen mit Moschee im Obergeschoss, sehen kann. Im Gegensatz zu Bangalore (oder zumindest dem, was wir von der Stadt gesehen haben) gab es viele kleine Straßenhändler, Gässchen und mit Ornamenten verzierte Straßen und Hauseingänge; der spürbarste Unterschied war aber wohl die bessere Luft. Wir nutzten die Zeit für ein bisschen Sightseeing, besuchten die Charminar, eine Moschee und einen wunderschönen weitläufigen Hindutempel, in dem das Fotografieren leider verboten war – außerdem wurde das von Sarah und Pauline hoch gelobte Streetfood Pani puri, frittierte mit Linsen und Curry gefüllte Teigbällchen, probiert, die definitiv leckerer waren, als sie sich anhören :D.

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Im Anschluss ging es dann zu fünft weiter in Richtung Neu Delhi, soll heißen: 26 Stunden Zugfahrt! Immer wieder unvorstellbar, welche Strecken man in einem einzigen Land zurücklegen kann… Glücklicherweise überbrückten wir diese aber ganz gut, mithilfe von Kartenspielen, Game of Thrones, vielen Snacks und natürlich, weil wir uns einfach gut miteinander verstehen.

Dort wurden wir von einer deutschen Reisegruppe und unserem Koordinator, Father Francis, erwartet. Um kurz zu erklären, was uns bevorstand: Francis, der indische Father, der für die MZF arbeitet, veranstaltet jedes Jahr mit einer Gruppe von ca. 20 Deutschen eine Kulturreise durch Indien, deren Thema vordergründig die Vielfalt der Religionen und die Entdeckung der Spiritualität ist. Zusammen ist die Gruppe einen knappen Monat unterwegs, angefangen in Nordindien, um später auch in den Süden zu reisen und die Freiwilligenprojekte zu besuchen – bis vor zwei Tagen haben sie uns hier in Puthupaddy besucht. Uns war es möglich, sie für eine Woche auf ihrer Reise zu begleiten und somit an einer Mischung aus Touristen- und Bildungsprogramm teilzunehmen. Dabei war unsere gemeinsame Zeit in drei Etappen unterteilt: Wir starteten zusammen in Delhi, wo wir für drei Nächte bei Franziskanerschwestern unterkamen, dann ging es für eine Nacht nach Agra und zuletzt besuchten wir Jaipur, die „pink city“. Ich werde mich hier zurückhalten, die Reise in allen Einzelheiten zu beschreiben; damit spare ich mir eine Menge Aufwand und euch langatmige Details, also versuche ich mal mich kurz zu fassen (ein, wer mich kennt, eher schwieriges Unterfangen für mich – ich möchte gar nicht wissen, wie oft ich in der Schule den Satz „Marie, du sagst ja gute Sachen, aber wenn du es mal schaffen könntest, auf den Punkt zu kommen, könntest du bestimmt noch einen Punkt mehr bekommen.“ gehört habe).

Von der Stadt Delhi haben wir tatsächlich relativ wenig gesehen, die meiste Zeit verbrachten wir im Bus und stiegen hauptsächlich zum Tempelbesuch oder für den interreligiösen Dialog aus. Herauszuheben sind hier definitiv der Besuch des beeindruckenden Lotustempels, der – anders als erwartet – kein hinduistischer, sondern ein Tempel der Bahá’í-Religion ist. Diese beruft sich auf die Einheit und Gleichheit aller Menschen und schien mir wirklich erstaunlich modern, weshalb es mich wunderte, dass ich noch nie von ihr gehört hatte. Sie gilt zwar als eigenständige Religion, versucht aber, die Lehren verschiedenster Glaubensrichtungen zu vereinigen, da sie die Lehre verbreitet, dass alle Religionen letztlich verschiedene Auslegungen desselben Glaubens sind.

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Nachdem wir einige weitere Tempel, darunter auch Sikh- und Jain-Heiligtümer, besichtigt hatten, wurde für uns ein Treffen mit Vertretern aller erdenklicher in Indien auftretenden Religionen (Sikhismus, Hinduismus, Buddhismus, Jainismus, Bahá’í, Christentum, Judentum und Islam) organisiert, die mit uns über Kinderrechte aus der Perspektive ihrer jeweiligen Religion sprachen. Ich muss ehrlich zugeben, dass diese Kombination meiner Meinung nach nicht am Besten gewählt war – wie zu erwarten, ist das Kind in jeder der Religionen hoch geschätzt, in keinem heiligen Buch wird Gewalt an Kindern oder ähnliches gerechtfertigt, weshalb sich die Aussagen der Vertreter kaum bedeutend voneinander unterschieden. Dass die Realität in Indien teilweise anders aussieht, ist ihnen natürlich bewusst, aber die Schuld dafür den Religionen zuzuschieben, wie es bisweilen getan wurde, halte ich für vorschnell. Natürlich gefällt es mir immer noch nicht, zu sehen, dass die Schwestern an unserer Schule den Stick einsetzen, um die Kinder zu bestrafen, aber das hat nichts mit ihrer Religion zu tun, sondern damit, dass sie auf einem indischen Dorf aufgewachsen sind und selbst, wenn es einigen von ihnen nicht zusagt, unter einem enormen Druck der Eltern stehen, ihr Kind „vernünftig“ zu erziehen. In dieser Diskussionsrunde war dann der Unterschied zwischen uns Freiwilligen, die schon ein knappes halbes Jahr hier sind, und der Reisegruppe doch deutlich wahrzunehmen. Dass kulturelle Traditionen mit religiösen verwechselt werden, erlebt man ja auch immer wieder am Bild der arabischen Staaten, deren restriktives Frauenbild häufig auf den Islam geschoben wird. Trotz einiger Disparitäten gehörte dieser Dialog aber für mich zu den Highlights der ganzen Reise, weil ich es unglaublich spannend fand, die verschiedenen Vertreter interagieren zu sehen – besonders beeindruckt war ich übrigens von der Christin: Es handelte sich um eine katholische Schwester, die von meiner Nonnenvorstellung nicht weiter abweichen hätte können. Sie trug kein Ordensgewand (die Franziskanerinnen in Delhi übrigens auch nicht), tritt für Frauenrechte in der Kirche ein, veröffentlicht selbst im Internet Predigten und als ich sie nach ihrer Meinung zu Abtreibungen fragte, gab sie mir eine „offizielle“ Antwort als Vertreterin der katholischen Kirche und eine „inoffizielle“ als Feministin. Sie schien mir eine unglaublich starke Frau zu sein und als sie dann noch mit Kapitalismuskritik ankam, konnte ich meine Begeisterung nur noch schwerlich zurückhalten. Für diese inspirierende Begegnung bin ich wirklich sehr, sehr dankbar!

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Schließlich ging es dann weiter nach Agra – hier kann ich nicht besonders viel erzählen, sondern lasse lieber die Bilder für mich sprechen, denn hier klapperten wir das Touristenprogramm ab: Das Taj Mahal, was mich mehr beeindruckt hat, als ich es mir bei einem Gebäude hätte ausmalen können, wirklich wunder-, wunderschön, und das Agra-Fort, dessen Schönheit wir in einem etwas fitteren Zustand sicherlich noch mehr genossen hätten ;).

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Ja, wir sind schon krasse Gangster
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Agra Fort (leider ging hier irgendwann meine Kamera aus)

 

Die letzte Etappe der Reise war dann Jaipur, wo ich, entgegen meiner Vorsätze und Sorgen um die Haltung mit Selma auf einem Elefanten geritten bin. Hierzu möchte ich aber noch anmerken, dass auf die Tiere dort wirklich gut aufgepasst wurde, weshalb es beispielweise die Regelung gab, dass die nur viermal pro Tag geritten werden dürfen. Das riesige Tier (wir Beide hatten den größten von allen erwischt) beförderte uns etwas schwankend aber mit einem herrlichen Ausblick gesegnet zum „Amber Fort“, eine labyrinthartige, in verspieltem Stil gebaute, gelbe Palastanlage, die wir mit Freuden entdeckten – überall taten sich neue Gänge auf, auf einmal landete man auf einem anderen Hof oder in einem Turm, die Wege waren (zumindest für meinen grottigen Orientierungssinn) unergründlich. Später hatten wir dann noch etwas Zeit zum Shoppen in der Altstadt, die der Stadt ihren Beinamen „pink city“ verlieh: Um den damaligen englischen Prinzen Albert zu beeindrucken, ordnete der Maharaja Jaipurs im 19.Jahrhundert an, die Stadt vollständig terrakotta-pink zu streichen – eine Farbe die Gastfreundschaft symbolisieren sollte und so ist sie bis heute geblieben.

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Im Hintergrund erkennt man die terrakottafarbene Altstadt

 

Dort beendeten wir dann unsere Reise und traten einen abenteuerlichen Rückflug mit 16 Stunden über Nacht Aufenthalt in Mumbai, soll heißen: vier Stunden Schlaf auf einer gemütlichen Marmorbank, an.

Nach einer Woche Alltag besuchte uns die deutsche Reisegruppe dann auch hier und die Schwestern veranstalteten wieder einmal beeindruckende Aufführungen mit Tanz und Gesang, bei denen wir auch mitwirken konnten. Obwohl die ganze letzte Zeit sehr schön war, bin ich doch glücklich, dass nun wieder etwas Ruhe einkehrt und wir auch die Gelegenheit bekommen, uns wieder mehr auf unser Projekt konzentrieren zu können. Außerdem merkt man ja doch immer wieder den Unterschied zu den deutschen, die erst so wenig Zeit in diesem Land verbracht haben. Natürlich gab es auch innerhalb der Gruppe sehr große Unterschiede und besonders ein älteres Ehepaar hat es uns mit seiner Herzlichkeit und Offenheit wirklich angetan, trotz allem habe ich aber festgestellt, dass ich jetzt definitiv noch nicht bereit wäre, wieder nach Deutschland zurückzukehren, da man erst im Kontrast richtig wahrnimmt, wie fest man hier nun ja doch schon verwurzelt ist.

So, mit diesem längeren Beitrag verabschiede ich mich erst einmal wieder, wenn auch hoffentlich für nicht ganz so lange. Immerhin habe ich jetzt einmal alles aufgearbeitet, was so seit dem letzten trubeligen Monat hinter uns liegt.

Ganz liebe Grüße also,

Marie

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(Karte von welt-atlas.de)                                Hier also noch einmal unsere Reiseroute

 

 

 

Mysore und Bangalore – Unsere erste eigene Reise

 

Es ist nun zwar schon ein Weilchen her, aber nach Weihnachten traten wir unsere erste, kleinere Reise alleine an. Zuerst ging es für einen Tag nach Mysore, eine eher kleinere (im Vergleich zu Puthupaddy natürlich trotzdem riesige) Stadt in Karnataka, also einem anderen Bundesstaat. Im Gegensatz zu Selma und Louis war ich schon einmal mit der italienischen Gruppe dort gewesen, die hier ganz zu Anfang meines Aufenthalts verweilten, aber ich habe es dennoch genossen, auf eigene Faust losziehen zu können und die Stadt noch einmal selbst „entdecken“ zu können. Nach einem etwas stressigen Check-In im Hotel – unsere gebuchten Zimmers waren aufgrund eines Missverständnisses bezüglich unserer Ankunftszeit bereits vergeben worden, weshalb uns nur noch übrig blieb, in einem freien Familienzimmer zu schlafen, was natürlich teurer war als geplant, wir jedoch dadurch „ausgleichen“ konnten, dass wir die nächste Nacht im billigsten Zimmer, was zu finden war, verbracht haben – nicht unbedingt zu empfehlen – besuchten wir (für mich wieder einmal) den Zoo und den Palast (ich fasse mich an dieser Stelle kurz, da ich darüber bereits nach dem ersten Mal berichtet hatte).

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Im Anschluss begaben wir uns dann auf den stadteigenen Basar, was wirklich unglaublich war. Man trat in eine Gasse ein und befand sich plötzlich in einer ganz eigenen Welt, die vollkommen abgetrennt vom sonstigen Stadtgeschehen zu existieren schien. Um uns herum türmten sich Farben, Gewürze, Kokosnüsse und Bananen, Verkäufer boten lautstark ihre Ware feil und Selma und ich gingen unserer Lieblingsbeschäftigung nach: dem „Betüddeln lassen“. Irgendwann sind wir hier zu dem Schluss gekommen, dass Gucken ja noch lange nichts kostet und so genießen wir es, uns Parfüm auf den Arm tupfen zu lassen, Gewürze und Früchte probieren zu dürfen oder einen Händler seine Farben auf unseren Händen ausprobieren zu lassen – ansprechen wird uns sowieso jeder von ihnen und anstatt sich davon stressen zu lassen, haben wir uns vorgenommen, es zu genießen.

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Als wir dann in einer reinen Bananengasse landeten, dachten wir bereits das Paradies gefunden zu haben, aber es kam tatsächlich noch besser: Per Zufall kamen wir an einem eher unauffälligen Stand vorbei, an dem wir eine andere Weiße, ungefähr in unserem Alter, mit dem Verkäufer Tee trinken sahen. Sofort wurden wir angesprochen und es stellte sich nicht nur heraus, dass die andere ebenfalls eine Freiwillige aus Deutschland war, sondern auch, dass der Stand, an dem wir uns befanden ein regelrechter „Freiwilligenhotspot“ zu sein schien. Der Händler (er hieß übrigens Adil und ist anscheinend eine ziemliche Berühmtheit in Mysore – falls irgendjemand mal dorthin kommen sollte, fragt auf jeden Fall nach ihm!) sprach ein paar Brocken Deutsch mit uns und zeigte uns persönlich gestaltete Bücher von Freiwilligen, mit offenen Briefen und unglaublich vielen Fotos von ihnen zusammen, einen deutschen Zeitungsartikel und ein Video über ihn (https://www.youtube.com/watch?v=5dinhaJ5J7E).

Leider war der Großteil der anderen Freiwilligen zu dieser Zeit selbst im Urlaub, weshalb wir nicht besonders viele getroffen haben (später kam noch ein anderes Mädchen dazu), aber es war wirklich schön mit Adil zu sprechen, er gab uns Tee aus und vermittelte uns schließlich, als er hörte, dass wir planten Bangalore zu besuchen, einen Kontakt, über den wir angeblich auf die besten Partys kamen. Somit fanden wir es im Nachhinein fast schade, Mysore bereits nach so kurzer Zeit verlassen zu müssen und hoffen, noch einmal zurückkommen zu können.

So ging es aber direkt am nächsten Morgen weiter nach Bangalore, wo wir das Glück hatten, bei Franziskanern unterkommen zu können, weshalb zumindest die Frage nach der Unterkunft diesmal keine Probleme mit sich brachte. Die Stadt Bangalore überraschte mich, mit ihrer „Westlichkeit“ – nicht zu Unrecht gilt sie (neben Mumbai) als die westlichste Stadt Indiens: Hier kamen wir das erste Mal in Kontakt mit der „High Society“ Indiens, die sich regelmäßig bei Starbucks zum Kaffee trifft und anscheinend gerne einmal um die 50 Euro für eine Party ausgibt – auf einmal waren wir die Armen. Im krassen Kontrast dazu stand die Armut auf den Straßen, die wir so bisher kaum gesehen haben, da wir in unserem Dorf wohl doch ziemlich gut abgeschirmt sind: Bettelnde Kinder auf den Straßen gehören genauso zum Stadtbild wie Inderinnen in Hotpants und Miniröcken, die man hier wohl sehr lange suchen müssten. Trotz allem habe ich mich in Bangalore sofort wohl gefühlt: Abends durch die Straßen einer großen Stadt streifen zu dürfen und dabei völlig frei zu sein, wie man aussieht, wohin man geht, was man trinkt und wann man schlafen geht, ist eindeutig ein Gefühl, was ich vermisst habe. Schon lange habe ich mir vorgenommen, für mein Studium in eine Großstadt ziehen zu wollen und auch wenn Bangalore sicherlich nicht die schönste war, die man sich da so vorstellen kann, weiß ich nun auch wieder warum.

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Im Bangalore Fort
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Da haben wir uns wohl gefühlt.

Die Zeit dort nutzten wir hauptsächlich für einen Partyurlaub, Kneipentour inklusive, bei der wir herausfanden, dass Alkoholpreise den deutschen gleichkommen und Karten spielen nicht in jeder Bar erlaubt ist, sich in Bangalore aber erstaunlich viele Rockkneipen befinden, in denen ziemlich coole Musik gespielt wird. Einen Abend verbrachten wir auch in einer Bar mit DJ, wo wir schließlich anfingen zwischen den Tischen zu tanzen und dabei mit einer Gruppe Inder in unserem Alter in Kontakt kamen. Da wir Louis dabei hatten und in der Gruppe auch ein Mädchen war, nahmen wir ihre Einladung zu sich nach Hause an, wo wir noch einen schönen Abend zusammen verbrachten, der zu unserer aller Highlights dieser viereinhalb Tage zählt. Schließlich kam dann Silvester und hier nutzen wir den Kontakt, den uns Adil aus Mysore gegeben hatte, um auf eine Party zu gelangen, auf der uns kostenloses Buffet und Getränke zur Verfügung standen – im Gegensatz zu Selma und mir (Brüsten sei Dank?!) musste Louis dann aber doch einen hohen Eintrittspreis zahlen, den wir aber natürlich aufteilten. So hatten wir dann auch einen schönen Silvesterabend, der nur dadurch geschmälert wurde, dass in Bangalore alle öffentlichen Veranstaltungen um 1 Uhr schließen müssen, was uns zuvor auch unbekannt war.

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Unser erster Urlaub war aber trotz kleinerer Schwierigkeiten (auf dem Rückweg haben wir dann noch unseren Zug verpasst, weil der Verkehr so schlecht war, dass unser Uber-Driver eine halbe Stunde lang keinen Zentmeter vom Fleck gekommen ist) ein voller Erfolg! Ich hoffe, dass sich diese Erfahrung in Zukunft wiederholen wird und wenn alles zu glatt geht, ist es ja auch langweilig 😉

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So viel zum Verkehr in Bangalore

 

Weihnachten in Indien

Namasthe!

Nach einer geraumen Weile melde auch ich mich wieder – in der Zwischenzeit war so viel los, dass ich mich entschlossen habe, das Ganze in mehrere Blogbeiträge aufzusplitten, weil wir auch endlich dazu kamen unsere ersten kleinen Reisen anzutreten und ich mir dafür dann doch etwas mehr Zeit nehmen möchte, als eine kurze Bemerkung in zwei Sätzen. Deshalb folgen hier nun erst einmal meine Eindrücke zu Weihnachten hier:

Im letzten Beitrag habe ich ja schon von einer ersten kleinen Weihnachtsfeier berichtet und ich kann euch versichern, dass der tanzende Weihnachtsmann keinesfalls eine Ausnahme war, sondern indischer Standard zu sein scheint. Entgegen meiner Erwartungen ist die Kommerzialisierung und „Verwestlichung“ in diesem Punkt voll und ganz nach hier durchgedrungen – von einem kleinen, ruhigen Fest im Privaten wie ich es aufgrund der christlichen Minderheit erwartet hatte, kann keine Rede sein. Wie ich bereits schon vorher festgestellt hatte, haben InderInnen anscheinend einen unglaublich großen Hang zum Kitsch, was sich in blinkenden Weihnachtsmännern, bunt leuchtenden Lichterketten und riesigen Krippen widerspiegelt.

Unsere (nach der bereits erwähnten Feier) erste größere Begegnung mit dem Fest, war die Weihnachtsfeier an der Schule: Dort wurden von den Schwestern an jedes Kind ein Minigeschenk ausgeteilt, alles war wunderschön (und vielleicht ein kleines bisschen kitschig) dekoriert – wir hatten sogar mit den Fünftklässlern selbst Girlanden aus Plastikflaschen gebastelt, die wir auch aufgehängt haben – und wir führten, zusammen mit den Kindern der vierten und fünften Klasse und – natürlich – einem Schüler im Weihnachtsmannkostüm zusammen einen Weihnachtstanz zu „We wish you a merry christmas!“ auf. Natürlich musste jeder von uns auch eine Weihnachtsmütze tragen, ohne die anscheinend nach Schwesternmeinung gar nichts geht. Wir haben uns zurückgehalten, ihnen davon zu erzählen, wie sehr sie alle von einer Coca-Cola Werbefigur beeindruckt sind, die möglicherweise eher wenig mit einem christlichen Weltbild zu tun hat, sondern uns lieber von ihrer fast kindlichen Freude anstecken lassen.

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Die war ganz besonders am 23.12. zu spüren, an dem hier die Hauptfeier stattfand – das frühe Datum ist dem Umstand geschuldet, dass die Anwärterinnen Weihnachten natürlich mit ihren Familien verbringen wollten und somit am 24. abgereist sind, jedoch fest in den Feierlichkeiten eingeplant waren und dort selbstverständlich nicht fehlen durften. Nach etwas Programm mit Singen und Tanzen (auch von uns dreien war diesmal ein Tanz zu „Rudolph the red-nosed reindeer“ dabei, nachdem wir gemerkt hatten, dass von uns auch ein Beitrag zum Programm erwartet wurde) war es dann endlich Zeit für die Bescherung! Im Konvent wurde ja gewichtelt, so dass alle Schwestern ganz aufgeregt unter ihren Weihnachtsmützen im Halbkreis saßen, um zu sehen, von wem sie ein Geschenk bekommen würden. Leider war das Ganze für uns etwas peinlich: Uns war gesagt worden, dass das Budget bei höchstens 300 Rupien (etwa 4 Euro läge), weshalb wir davon ausgegangen sind, dass eher Kleinigkeiten erwartet wurden – ich habe dann zum Beispiel einen Kalender und einen Schal gekauft. Die Schwestern hatten sich aber offensichtlich kaum an diesem Limit orientiert, weshalb sie alle einen Karton voll mit Anziehsachen, Süßigkeiten und weiteren Kleinigkeiten gepackt hatten. Trotzdem war es ein sehr schöner Abend: Die Schwestern hatten einen Heidenspaß daran, sich gegenseitig zu veräppeln, indem man sein Geschenk anfangs grundsätzlich nicht der richtigen Person gab, sondern mindestens ein, zwei falsche „Christmas friends“ antäuschte, denen man dann sein Geschenk sofort wieder aus der Hand riss. Die Stimmung war euphorisch und aufgeregt und uns wurde klar, dass das wahrscheinlich der einzige Tag im Jahr ist, an dem sie wirklich etwas geschenkt bekommen. Am Ende kam dann noch eine Gruppe von Jugendlichen, die als eine Art Sternsinger fungierten und Weihnachtslieder sangen und dazu tanzten vorbei – auch hier durfte der tanzende Santa Claus natürlich nicht fehlen!

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Unser „Rudolph“-Tanz

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Auch wir übernahmen an einem anderen Tag dieses stersingermäßige „Carol Singing“, allerdings in Chundale, also dort, wo Louis normalerweise wohnt: Mit einer gemischten Gruppe von Kindern und Erwachsenen und dem obligatorischen Weihnachtsmann zogen wir durch die verstreuten Minisiedlungen und sangen abwechselnd englische und Malayalam-Weihnachtslieder (von letzteren habe ich genau eins mehr oder weniger gelernt, bei den anderen setzten wir dann aus) – einmal wurde von uns sogar ein deutsches verlangt, woraufhin wir lautstark „Stern über Bethlehem“ skandierten. An diesem Abend sind wir dann tatsächlich fast fünf Stunden (von sechs bis elf) um die Häuser gezogen und ich war wirklich beeindruckt von den Kindern, die diese anstrengende Aufgabe (+ tanzen!) ohne Murren und Knurren durchzogen. Es war aber eine wirklich schöne Erfahrung, da wir dort wirklich mitten im Nirgendwo waren, was bedeuten soll, dass es keinerlei Lichverschmutzung gab und ich noch nie in meinem Leben einen so klaren Nachthimmel mit so leuchtenden Sternen gesehen habe! Als wir dann endlich fertig waren, haben wir es uns deshalb auch nicht nehmen lassen, uns in Decken eingemummelt auf die Dachterrasse zu legen, den Himmel zu bewundern und dabei Marzipan zu schnabulieren – wir haben sogar eine Sternschnuppe gesehen! – bis uns die Kälte dann doch letztlich nach unten getrieben hat. Beeindruckend war auch (entschuldigt, wenn ich dieses Wort inflationär benutze, aber was gesagt werden muss, muss gesagt werden!), dass wir nicht nur bei christlichen Häusern geklingelt haben, sondern überall vorbei gegangen sind und auch (fast – von einer Moschee wurden wir traurigerweise mit den Worten „Allahu akbar“ vertrieben) überall freundlich aufgenommen wurden und wirklich jeder von den noch so armen Leuten etwas Geld in einen Spendenkorb gelegt hat; leider weiß ich nicht, zu welchem Zweck es gesammelt wurde.

Am 24. selbst gab es dann schließlich eine fast dreistündige Mitternachtsmesse mit Prozession in die Kirche und im Anschluss ein gemeinsames Kuchenessen im Konvent. Auch hier waren die Schwestern wieder super aufgedreht und machten die ganze Zeit Scherze über die Uhrzeit; eine von ihnen war auch in der Kirche eingeschlafen, wofür sie natürlich pausenlos von den anderen aufgezogen wurde. Ansonsten war aber an diesem und auch am nächsten Tag, dem 25. im Konvent erstaunlich wenig los – dafür veranstalten Louis, Selma und ich unsere eigene kleine Heiligabendfeier bei uns im Hostel bei Kerzenschein, Plätzchen und einem geschmückten Herbert, unserer geliebten Topfpflanze. Dort sangen wir gemeinsam Weihnachtslieder (à la „Oh Herbertbusch!“) und hatten unsere eigene Minibescherung – wir hatten uns darauf geeinigt, uns nichts zu kaufen, aber uns gegenseitig Briefe zu schreiben. Außerdem konnte ich noch ein Päckchen meiner Familie öffnen, worüber ich mich ebenfalls sehr gefreut habe.

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Also auch, wenn es jetzt vielleicht ein bisschen spät ist – frohe Weihnachten an alle!

Advent, Advent,… und das Zwischenseminar

Hallo Freunde der Sonne!

Ich habe mich ja jetzt ein Weilchen nicht mehr gemeldet – dabei ist so viel passiert! Deshalb wird das jetzt wohl ein relativ langer Beitrag; denjenigen, die meine Rundmail bekommen, würde ich aber empfehlen, nur noch den letzten Abschnitt zu lesen – ich habe mir einmal erlaubt, den Rest zu kopieren, da sich das allermeiste, was ich schreiben wollte, sowieso überschneidet.

Das Zwischenseminar

Am 25.11. fing unser Zwischenseminar an, was für uns auch oder vor allem das Wiedersehen mit den anderen Freiwilligen bedeutete. Zwar lag es ziemlich früh im Jahr nach gerade einmal drei Monaten Aufenthalt, doch besonders wegen der Situation mit Louis waren wir sehr glücklich darüber, dass sich Gesprächsmöglichkeiten ergeben haben: Er darf jetzt nämlich tatsächlich drei Mal die Woche bei uns schlafen, was davor noch unmöglich schien. Die Zeit war generell toll und voller Erfahrungen und Glücksmomente, die ich hier gar nicht alle beschreiben kann, deshalb werde ich mich wohl auf ein paar Highlights beschränken: Direkt am ersten Tag nach der Ankunft der anderen Freiwilligen zusammen mit Francis und Ewa, unseren Organisatoren aus Deutschland, die ebenfalls super nett sind (das Zwischenseminar fand hier bei uns in Puthupaddy statt) haben wir einen größeren Ausflug gemacht: Father Francis, der aus dieser Gegend in Indien kommt, hat hier glücklicherweise unglaublich viele Kontakte und so haben wir viele Privatmenschen und Familien kennengelernt, wozu wir andernfalls wahrscheinlich nie die Möglichkeit gehabt hätten. So konnten wir eine Frau besuchen, die bereits in der UNO zum Thema Kinderrechte (in Indien und weltweit) gesprochen und gearbeitet hat. Nicht nur, dass das Gespräch mit ihr unfassbar interessant war (ich hätte sie noch stundenlang ausfragen können – zum Beispiel haben wir herausgefunden, dass es in Indien inzwischen auch offiziell verboten ist, Kinder zu schlagen, die Lehrer jedoch erstens keine anderen Wege kennen und zweitens auch von Seiten der Eltern großer Druck ausgeübt wird, dass ihre Kinder „richtig“ erzogen werden. Und da wird, so paradox das klingen mag, der altbewährten Methode, die sie so auch am eigenen Leib erlebt haben, das meiste Vertrauen geschenkt. Dennoch war es erleichternd für mich zu erfahren, dass es immerhin Entwicklungen weg von dieser Tradition zu geben scheint: Dass so etwas eine Weile braucht, um sich in den Köpfen der Menschen festzusetzen, ist ja allgemein bekannt -), wir hatten auch die Gelegenheit in einem Fluss zu „schwimmen“ – soll heißen: eher gegen die Strömung anzukämpfen – und als wir endlich eine ruhige Stelle gefunden hatten, wo man sich sogar hinsetzen konnte, wurde uns von draußen sogar noch gekühltes Bier gebracht. Was kann man sich mehr wünschen?!

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Für mich war dieser Tag das absolute Highlight des ganzen Seminars – dazu kam auch noch, dass der Mann der Kinderrechtsfrau ein Yogaguru war und uns das ein oder andere Interessante erzählen konnte UND in ihrem Haus, typisch indisch, die ganze Familie wohnte, darunter auch ein kleines Kind, was zwar kein Englisch konnte, aber von meinen Minibrocken Malayalam so angetan war, dass es unablässig mit mir spielen und sich unterhalten wollte. Leider war die Zeit dort viel zu kurz – Louis, Selma und ich hoffen, dass wir vielleicht noch einmal zurückkommen können.

Auch an den anderen Tagen haben wir schöne Erfahrungen gemacht, z.B. einen traditionell keralesischen Künstler besucht, der sich auf das Thema „Integrationskunst“ spezialisiert hatte und somit Motive aus den verschiedensten Religionen malte.

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Am letzten Abend hier im Konvent führten dann Schwestern und Anwärterinnen ein Sing- und Tanzprogramm auf, welches damit endete, dass wir alle zusammen auf der Bühne tanzten: Erst Macarena, was wir den Anwärterinnen einmal beigebracht hatten, und dann legte eine Schwester auf einmal eine beeindruckende improvisierte Show ein: Sie begann Dancemoves auszupacken, bei denen wir alle mitmachten, und die wir uns definitiv für unseren nächsten Clubbesuch in Deutschland merken müssen: Wer denkt, dass die Schwestern aus „Sister Act!“ cool sind, hat wohl unsere Sister Ivana noch nicht gesehen – die toppt sie um Längen!

Nach diesem genialen Abend wurde dann das Ende des Seminars nach Kochi verlegt.

 

Kochi

Bei Kochi oder auch Cochin handelt es sich um eine größere Touristenstadt, die mittig von Kerala an der Küste liegt. Wobei – „an“ der Küste ist vielleicht schon falsch ausgedrückt, da sich ein großer Teil der Stadt auf verschiedene Inseln erstreckt: Da wäre das bei Touristen äußerst beliebte Fort Kochi, das jüdisch geprägte Matancherry (beides Inseln) und schließlich Ernakulam, das Festland, was eher den indischen Städten gleicht, die wir bereits kennen, soll heißen ein bisschen schmuddeliger und weniger touristisch, dafür natürlich billiger und mit seinem eigenen Charme. Die ersten beiden Tage in Kochi verbrachten wir noch zusammen mit unseren Seminarleitern Ewa und Francis, der direkt eine wunder-, wunderschöne Backwatertour für uns organisiert hatte. Nicht ohne Grund sind die Backwaters Keralas legendär und gelten als ein absolutes Topreiseziel in Südindien: Während der Tour saßen wir auf einem hölzernen Boot und wurden durch sich schlängelnde Flussarme inmitten der idyllischen Palmen, Mangobäume, Seerosen und Lotusblumen gerudert, während wir das Zusammenspiel des blauen Himmels, der grünen Natur und deren Spiegelung auf dem Wasser bestaunen durften. Perfekt wurde der Ausflug dann dadurch, dass wir uns untereinander super verstanden haben – und dass zwischendrin Minibananen ausgeteilt wurden!IMG_0275Dreierfoto BackwatertourIMG_0234

 

Nur am Ende des Tages machten wir dann eine etwas ernüchterndere Erfahrung: Weil Francis mitbekommen hatte, wie gerne wir alle einen Elefanten sehen wollten, führte er uns nach der Backwatertour stolz zu einem Hindutempel, um uns allen eine Freude zu bereiten. Als wir dort eintraten und tatsächlich zwei leibhaftige Elefanten sahen, war unser aller Begeisterung erst einmal groß. Genauso schnell verging sie jedoch auch den Meisten von uns wieder: Mit schwerem Metall an Beinen und Hals festgekettet und kaum in der Lage sich auch nur einen einzigen Meter zu bewegen stießen die riesigen Tiere klagende Laute aus. Während der eine recht ruhig war, schwankte der zweite pausenlos hin und her und fühlte sich ganz offensichtlich nicht wohl. Dieser Anblick versetzte den Meisten von uns eher Magenschmerzen als Freude, aber immerhin wissen wir jetzt, wie die Haltung dieser Tiere hier tatsächlich aussehen kann und überlegen uns den typischen Touri-Elefantenritt vielleicht noch einmal.

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Die nächsten Tage wurden dann zum Shoppen – soll heißen: feilschen, feilschen, feilschen! –, Entdecken der besten Cafés (falls irgendjemand hier einen Ausflug nach Kochi plant: Das „Teapot“ ist ein absolutes Muss!) und Sightseeing genutzt, erst noch mit Ewa, dann hatten wir noch zwei Tage Urlaub unter uns Freiwilligen.

Diese Zeit nutzten wir unter anderem dazu, uns eine Kathakali-Aufführung anzusehen. Dabei handelt es sich um ein uraltes traditionelles Tanztheater, basierend auf den alten indischen Legenden.

Im Normalfall geht eine Aufführung viele Stunden lang und ist für Außenstehende, die diese Schriften und die Kunst des Kathakali nicht eingehend studiert haben, kaum zu verstehen, jedoch haben wir uns in eine Darbietung begeben, die auf Touristen abzielte und nur 90 Minuten lang war. Sicherlich nicht die authentischste Erfahrung (im Publikum saßen ausschließlich Weiße), aber immerhin verständlich für uns, da eine Geschichte auf Englisch ausgeteilt wurde, die die Tänzer darstellten und uns anfangs einige Gesten erklärt wurden – im Kathakali hat jede einzelne Bewegung eine Bedeutung. Dabei spielen übrigens besonders die Augen eine große Rolle, die nicht selten weit aufgerissen und gerollt werden. Dazu kommen unglaublich aufwendige Kostüme und Gesichtsbemalungen: Da wir relativ früh kamen, hatten wir die Gelegenheit den Tänzern bei ihrer komplizierten Schminkprozedur zusehen zu können. Insgesamt war diese Erfahrung auf jeden Fall fremdartig aber sehr beeindruckend und ich bin wirklich glücklich darüber, dass ich dieses Spektakel miterleben durfte.

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Hier noch ein paar Eindrücke mehr aus Kochi:

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St. Francis Church, Kochi

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Zurück im Projekt, Adventszeit und neue Motivation

Nun sind wir seit etwa zwei Wochen wieder in unserem Projekt zurück und haben den Alltag wieder aufgenommen, begleitet von neuer Motivation: Während des Seminars haben wir viele Projektideen gesammelt, die wir hoffen, zeitnah umsetzen zu können, wie zum Beispiel ein Weihnachtsbasteln mit den Kindern oder einen Umweltschutzprojekttag, bei dem wir vor allem über den Umgang mit Müll sprechen wollen. Hier liegt so viel davon auf der Straße herum und auch bei den Schwestern sehen wir immer wieder, wie zum Beispiel leer gegessene Packungen einfach auf den Boden geworfen werden. Leider mangelt es in der Öffentlichkeit auch stark an Mülleimern, weshalb das Ganze nicht so einfach zu lösen ist, wie wir das gerne hätten. Dennoch planen wir z.B. einige Re- und Upcycling Ideen, wie das Bepflanzen von leeren Plastikflaschen.

Außerdem hat nun die Adventszeit begonnen, die hier in Indien zwar nicht gefeiert wird, aber davon lassen Selma und ich uns nicht abhalten! Wir haben sowohl für uns, als auch für die Kinder einen Adventskalender entworfen: In unserem finden sich täglich Snacks, Süßigkeiten oder geplante Aktivitäten, bei den Kindern meist Spiele oder Lieder die wir zusammen singen. Leider hapert es an der Ausführung ein wenig, weil aktuell Exams geschrieben werden, was für uns bedeutet, dass wir ziemlich selten unterrichten und die allermeiste Zeit mit Abtippen und Ausdrucken der Fragebögen beschäftigt sind. Trotzdem haben wir nun in jeder Klasse das Thema „Christmas“ angefangen und schon Weihnachtslieder zusammen gesungen – letztens konnten wir sogar einmal eine Weihnachtsgeschichte vorlesen und gleichzeitig an die Tafel malen. Übrigens – und darüber freuen wir uns ebenfalls sehr – lernen wir mit den Kindern auch zusammen einen Weihnachtstanz zu „We wish you a merry christmas“.

Um unser Hostel noch mehr zu „verweihnachtlichen“ haben wir uns einen provisorischen Adventskranz aus einer Getränkedose gebastelt und uns unseren neuen Mitbewohner Herbert zugelegt. Herbert ist eine Pflanze, aber das hält uns nicht davon ab ihn umso mehr zu lieben und ihn mit Weihnachtsschmuck einzudecken! Zusätzlich zu unseren eigenen Adventskalendern haben Selma und ich dann nämlich auch noch Päckchen von unseren Familien bekommen – sie einen Schokoladen- und ich einen Teeadventskalender – in denen unter anderem auch besagter Weihnachtsschmuck und Plätzchen waren. Über das Paket habe ich mich wirklich unglaublich gefreut und hier schmeckt alles fast noch besser als zu Hause!

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Herbert, Gattung: herbertus, herbertus

Hier in Indien ist übrigens auch eine Art Weihnachtswichteln eine Tradition: Nicht nur bei uns im Konvent, sondern anscheinend in jeder erdenklichen Schule oder Jugendgruppe werden sogenannte geheime „Christmas friends“ gezogen: Für diese Person soll man dann jeden Tag bis zum 25. beten, man kann ihr zwischendurch anonyme Briefe schreiben und am Ende schließlich ein kleines Geschenk besorgen. Irgendwie ist das noch persönlicher und gefällt mir besser als das deutsche Wichteln – vielleicht vor allem, weil die Schwestern mit einem unglaublichen Elan dahinter sind und einem jeden Tag mit einem spitzbübischen Lächeln mehr Informationen über seinen geheimen Freund entlocken wollen. Ich freue mich sehr, zu erfahren, wie Weihnachten dann hier genau gefeiert wird, auch wenn ich das deutsche Fest und vor allem den Schnee, der dieses Jahr ja besonders extrem sein soll, natürlich vermissen werde.

Eine kleine Weihnachtsfeier haben wir sogar schon erlebt: Father Davis, bei dem Louis in Chundale wohnt, lud uns zu einem Programm ein: Anfangs lief es ziemlich nach Erwartung ab – ein langes Gebet auf Malayalam, andächtige Stimmung und mehrere Reden. Doch dann wurde auf einmal laute Partymusik angeschmissen und ein Inder, der sich als Weihnachtsmann mit Sonnenbrille verkleidet hatte, fing an zu tanzen. Dieser krasse Gegensatz war so absurd, dass wir kaum unseren Augen trauen konnten, aber natürlich alle sehr viel zum Lachen hatten. Es folgte ein ereignisreicher Abend: Tatsächlich sahen wir noch etwas Programm, darunter verschiedene Tänze. Besonders auffällig waren die Tribals, kaum in die Gesellschaft integrierte Ureinwohner, die meist abseits in kleinen Lehmhütten wohnen und sehr arm sind. Father Davis ist es sehr wichtig, auch diese Gesellschaftsgruppe zu einzubinden, zu welchem Zweck er verschiedene Programme am Laufen hat: Aktuell hat er zum Beispiel Hühner gekauft, um ihnen beizubringen, wie man sie halten kann.

Daher hatte er sie auch für das Programm eingeladen und eine Gruppe Frauen tanzte wie in Trance sehr langsam, unterbrochen nur von lautem Kreischen zwischendurch, zu schneller, von den Männern gespielten, Trommelmusik. Diese Erfahrung war definitiv faszinierend, auch wenn wir im ersten Moment gar nicht wussten, was wir damit anfangen sollten, da es so ungewöhnlich wirkte. Schlussendlich tanzten wir uns dann noch mit den Kindern und einer Gruppe Jungs, die ungefähr in unserem Alter waren, die Seele aus dem Leib und hatten einen tollen Abend!

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Gestern haben Selma und ich dann erstmal einen Schocker erlebt: Wir waren gerade in einer anderen Stadt einkaufen, als ich dann von Sister Agostina einen Anruf erhielt, in dem sie mich nach dem Ersatzschlüssel für unser Hostel fragte – anscheinend sollte in wenigen Stunden eine unbekannte Inderin bei uns einziehen und dort für mindestens vier Monate bleiben! Natürlich malten wir uns erst einmal das Schlimmste aus – was wäre, wenn jetzt plötzlich eine alte Schreckschraube zu uns zieht, in deren Anwesenheit wir keine Musik mehr anmachen können, unsere Workouts aufgeben müssen, natürlich nicht mehr nur noch in Unterwäsche herumrennen können und unser ganzes Privatleben an die Schwestern verpetzt werden würde?! Aber glücklicherweise sah die Realität dann ganz anders aus: Unsere Mitbewohnerin ist eine 29-jährige Ärztin namens Anju, die sehr gut englisch spricht, supernett und aufgeschlossen ist und prompt bei unserem Workout mitmachte. Ganz aufgeregt erzählte sie uns, dass sie davor noch kaum Kontakt zu Ausländern hatte und wie glücklich sie auch mit uns sei. Inzwischen sind wir uns sicher, dass bestimmt gute Freunde werden und sie vermissen werden, sobald sie wieder weg ist. Und wieder haben wir etwas dazugelernt: Sich die Stimmung vermiesen lassen, bevor man überhaupt weiß, was einen erwartet, ist wirklich nicht besonders intelligent :).

Das war’s dann von mir, ich hoffe euch allen geht es auch gut und ich wünsche euch jetzt schon einmal frohe Weihnachten und einen guten Rutsch – wer weiß, wann ich mich das nächste Mal melde – geschweige denn meine Weihnachtspost ankommt, die leider erst morgen abgeschickt wird, weil gewisse anonyme Personen leider nicht in der Lage waren, das Post Office zu finden.

Weihnachtliche Grüße,

Marie

 

 

Ananas, Affen und ein gewisser Rucksack – der Pookote Lake

Namasthe!

An den letzten beiden Wochenenden haben Louis, Selma und ich Ausflüge zum Pookote Lake gemacht – ein See, auf dem man Tretboot fahren kann und sonst tatsächlich nicht soo viel los ist. Jedoch ist er von Palmen und anderen Bäumen umgeben, man kann einen schönen Spaziergang unternehmen und es gibt sogar ein „Fischspa“ – das Ganze ist nämlich etwas touristischer aufgezogen.

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Allerdings ist er weit und breit von Affen umgeben, wovon wir anfangs ziemlich begeistert waren. So hatten wir uns also vorher mit Essen ausgestattet und zu unser aller großer Freude auch eine Ananas gekauft, die wir als Snack gemütlich am Seeufer verspeisen wollten. Dabei hatten wir jedoch nicht mit den Affen gerechnet: Als Selma begann, die Ananas zu schneiden, waren anscheinend nicht nur wir von ihrem frischen Geruch angetan. Sofort machte sich ein besonders großes Affenexemplar auf, und zog gegen uns in den Krieg: Nachdem Selma eine Weile lang tapfer um unsere Ananas gekämpft und dem Affendieb sogar einen Tritt verpasst hatte, gaben wir irgendwann auf – schließlich wollten wir nicht mit seinen Klauen und Zähnen Bekanntschaft machen.

Später stellten wir tatsächlich fest, dass Selma am Fuß blutete – ob das von ihrem erbitterten Kampf kam, ist allerdings eine andere Frage. Frech wie er war, verputzte der Affe UNSERE Ananas dann auch noch vor unseren Augen. Man kann sich sicherlich vorstellen, dass wir alle ziemlich aufgeregt waren und uns am Ende ziemlich schnell in Sicherheit bringen wollten, also recht hektisch die Flucht ergriffen. Dass ich dabei meinen Rucksack verlieren sollte, ist mir dann leider erst zu spät aufgefallen. Als ich schließlich nach diesem aufregenden Tag im Konvent ohne meinen Rucksack ankam, war ich fest davon überzeugt , ihn im Bus liegen gelassen zu haben, es folgt also eine „typisch Marie“ Geschichte: Zuerst rief ich im Travel Office von Kozhikode an, um etwas über ein mögliches Fundbüro herauszufinden, die mich dann zum Busbüro von Thamaressery, einer anderen Stadt, durchstellten. Von dort aus erhielt ich tatsächlich die Nummer meines Busfahrers, der mir nach einem Gespräch auf Englisch mitteilte, dass sein Englisch leider zu schlecht wäre, um meine Frage nach einem gefundenen Rucksack zu beantworten und er dafür mit einem Malayalee sprechen wolle. Zwei Tage später konnte ich ihn dann endlich in Verbindung mit einer Schwester setzen – und so erfahren, dass mein Rucksack NICHT da war. Mit mehr Glück als Verstand erhielt ich ihn dann in der kommenden Woche tatsächlich am Pookote Lake zurück – bis auf mein Ladekabel und Kugelschreiber, die sich die ansässigen Polizisten ausgeliehen hatten, vollständig. Dieses Mal hatten wir auch etwas mehr Zeit dort und waren auf die Affen vorbereitet: Unsere obligatorische Ananas wollten wir also auf einer Tretboottour verspeisen. Grundsätzlich klappte das auch, nur fing es im Moment, da wir auf dem Wasser waren, zu regnen an und hörte fünf Minuten, nachdem wir draußen waren, wieder auf – Anscheinend ist die Ananas ein böses Omen für uns, aber glücklicherweise lassen wir uns davon nicht abhalten und insgesamt steht fest: Wir hatten sehr viel Spaß, auch wenn alles etwas chaotisch lief – aber das muss wohl so sein, wenn ich dabei bin.

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Übrigens: auf dem Rückweg vom Pookote Lake bin ich dann tatsächlich einmal noch aus dem fahrenden Bus gesprungen, als ich einen gewissen Rucksack noch an der Haltestelle liegen sah.

 

Hier noch ein paar andere Fotos aus der letzten Zeit – jetzt im November, wo es in Deutschland kalt wird und ich tatsächlich schon etwas vom ersten Schneefall gehört habe, sind wir hier mit dem wunderbarsten Wetter gesegnet: Es ist nicht (mehr) zu heiß, sondern höchstens 30 Grad und die Sonne scheint fast durchgängig – außer, wenn wir uns gerade mal dazu entschieden haben, eine Tretboottour zu unternehmen :D. Aber man kann wohl nicht alles haben und vielleicht kann ich den ein oder anderen aus dem kalten Deutschland ja trotzdem neidisch machen.

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Vor Unterrichtsbeginn stellen sich die Schüler hin und wieder zum „Assembly“ auf – das heißt, dass etwas Besonderes ansteht: Vielleicht will Sr. Agostina eine wichtige Mitteilung machen, oder es werden Preise verliehen

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Ein bisschen Spaß muss sein

Hallo ihr Leute 🙂

In der letzten Zeit gab es wohl eher wenige herausragende und besondere Ereignisse und wir haben uns ziemlich in unserem Schulalltag eingefunden:  Unterrichten, Unterricht vorbereiten, mit dem Schulbus fahren, regelmäßige Workouts, waschen und Game of Thrones schauen – aus viel mehr besteht unsere tägliche Routine kaum. Deshalb werde ich jetzt auch keinen weltbewegenden Beitrag schreiben, sondern eher ein kurzes Update. Mit Louis und Selma habe ich sehr viel Spaß und so dachte ich, dass ich mal ein bisschen von den eher lustigen Momenten, die wir so zusammen erleben, berichten kann:

Da wir uns zum Beispiel im Englischunterricht immer nach dem Buch richten und auch möglichst alle „exercises“ daraus mit den Kindern durchgehen sollen, standen wir einmal vor der Aufgabe einen „funny dialogue“ zu gewissen vorgegebenen Fragen zu erstellen. Während Selma und ich uns also kaum zusammenreißen konnten, als wir

„What are you up to now?“

– I’m going to a cricket match with my duck

„What in the world are you doing with a duck at a cricket match?“

– Why in the world are you asking?! That’s my favourite duck!

(Anfangs ging es um eine „holy cow“ – aus Angst, dass das rassistisch wirken könnte, haben wir sie dann durch die „favourite duck“ ersetzt.)

vorgestellt haben, waren die Kinder höchstens verwirrt, weshalb ich dann mit einer wegen einer Erkältung kaum vorhandenen Stimme durch die Klasse gelaufen bin und jedem, der es hören wollte (und eigentlich auch jedem, der es es nicht hören wollte) erklärt habe: „This is funny. You can laugh now!“ Vielleicht war es aber doch ganz gut, dass die Kinder nicht so albern waren wie wir, so dass wir danach noch ganz gut mit dem Unterricht weitermachen konnten.

Zurzeit nehmen wir mit den meisten Klassen in unserem Conversation-Unterricht das Thema Supermarkt und demnach alle denkbaren Supermarkt-Gesprächssituationen durch. Dabei geben wir uns größte Mühe, in jeder Stunde den Satz „How much is the fish?“ zu benutzen – wir müssen, mit Scooter in unsere Köpfen, immer ein bisschen lachen und für die Kinder bleibt es eine vollkommen brauchbare Phrase. Der überaus wichtige Satz „Can I speak to the manager, please?“ darf natürlich auch nicht fehlen.

Witzig ist auch, dass die Kinder sich eigentlich immer freuen, wenn wir Lieder singen – zu unserem Glück verstehen weder sie noch die Schwestern die deutschen Texte.  Wenn man wenig Zeit zum Nachdenken hat, fallen einem dann doch meistens nicht die „Qualitätsstücke“ ein – so dass wir bei Perlen deutscher Gesangskunst wie „Die Nacht von Freitag auf Montag“ landen, wobei wir uns schon geeinigt haben: Falls uns jemand fragt, ist das ganz eindeutig ein Osterlied, gesungen aus Jesus‘ Perspektive. Außerdem haben Schlager und Trinklieder eben schlicht und ergreifend die einfachste Melodie, weshalb die Kinder sich diese am Besten merken können. Da wir bemerkt haben, dass Unterrichtslieder sehr gut ankommen – wir haben schon einen „fruit song“ gedichtet, den die Kinder gar nicht mehr aufhören können zu singen – sind wir auch zu dem Schluss gekommen, dass wir für das nächste Mal einfach einen Schlager/ein Trinklied umdichten – das wird dann wohl hauptsächlich für die Freiwilligen nach uns lustig, wenn die Kinder auf einmal mit diesen Melodien ankommen.

Generell haben wir schon festgestellt: Während die Freiwillige, die vorher hier war, von Schwestern und den Mädchen, die im Konvent leben und auch Schwestern werden wollen, geradezu angebetet und fast als Heilige verehrt wird, werden wir wohl eher als die fiesen Freiwilligen in die Geschichte eingehen – aber das macht auch einfach viel mehr Spaß! Den zukünftigen Schwestern haben wir schon Spitznamen verpasst, von denen nicht alle von ihnen so begeistert sind, aber selbst werden wir auch nicht verschont. Als Selma und ich, der „Maari-Zwerg“ (- danke dafür, Schelma!) mal wieder singend durch den Konvent gelaufen sind (diesmal war es – Schande über uns – Abba und der komplette Mamma Mia!-Soundtrack), hat Bri, eine der Anwärterinnen, uns mit trockener Miene ins Gesicht gesagt, dass wir aufhören sollen – wir würden mit unserem Gesang alle Kühe verjagen.

Vollkommen unverständlich bleibt mir nur, wie man sich über mich lustig machen kann, nachdem ich zum Beispiel eine komplette Busfahrt lang Primzahlen ausgerechnet habe – wer kann schon von sich behaupten, dass sein Geburtsdatum, genau wie meines (31.05.1999), nur aus Primzahlen besteht? Leider scheint mir hier keiner zu glauben, dass das ziemlich cool ist – ich habe auch versucht, die Anwärterinnen zu fragen, aber scheinbar reagieren die meisten auf die Frage „Findest du Primzahlen cool?“ anders als erhofft. Möchte mir vielleicht irgendjemand bestätigen, dass ich im Recht bin und alle anderen Banausen sind, die keinen Sinn für Ästhetik haben?

Das war es dann erstmal von mir – wie man sieht geht es uns gut!

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Nicht mehr alleine!

Erstmal – ja, ich habe meinen (unausgesprochenen) Vorsatz gebrochen, mich wöchentlich zu melden, aber immerhin habe ich eine mehr oder weniger gute Ausrede: Das Wlan hier hatte besonders in letzter Zeit ernsthafte Probleme, so dass ich nun auf das mobile Netz zurückgreife, was allerdings nur ab ca. Mitternacht bis 7 Uhr morgens gut genug funktioniert, um tatsächlich etwas hochzuladen. 

Dabei gibt es wirklich einige Dinge, die ich gerne erzählen möchte, das Wichtigste zuerst: Meine Mitfreiwillige Selma ist vor fünf Tagen endlich angekommen, sodass ich hier nun nicht mehr alleine wohne und jemanden habe, mit dem ich meine Zeit verbringen kann. Wir kommen auch wirklich gut miteinander aus, sodass ich mich auf das Jahr nur freuen kann! 

Dadurch, dass sie nun da ist, habe ich auch mein Zimmer gewechselt: Zuvor habe ich ja direkt bei den Schwestern im Konvent gewohnt, wohingegen ich jetzt ein Zimmer in einem Hostel, die Straße herunter habe. Ich finde das super, denn auch wenn mein Zimmer kleiner ist, bin ich hier normalerweise mit Selma alleine und wir haben sogar (mit viel Fantasie) eine Art Aufenthaltshalle, können Spiele spielen und Tee trinken (oder, wie gestern – ein Workout machen) und haben generell mehr Privatsphäre als ich es von vorher gewohnt war – wobei auch nicht ganz so viel, wie ich anfangs dachte, da hier anscheinend auch immer zwei Schwestern schlafen und es praktisch keine Schallisolation gibt, weshalb dann gerne an die anderen Schwestern weitergetragen wird, wie lange wir noch geredet haben, weshalb dann tagsüber mindestens 10 Mal die Frage aufkommt, ob wir nicht müde sind oder doch mal früher (als zu für uns vollkommen normalen Zeiten) ins Bett gehen wollen. Diese ständige Kontrolle, die sich hier auf so ziemlich alles bezieht („Das Oberteil könntest du aber auch bügeln.“ „Wann hast du das letzte Mal deine Bettwäsche gewaschen?“ „Das ziehst du bitte nicht mehr in der Öffentlichkeit an“) ist generell wohl das, was mich hier bisher am meisten stört. Natürlich ist es gerade hier besonders wichtig, sich vor Augen zu halten, dass die Schwestern diese „Ratschläge“ keinesfalls böse meinen und uns wahrscheinlich einfach helfen wollen uns in ihrer Kultur einzufinden. 

Außerdem hatten wir seitdem Selma da ist tatsächlich kaum Freizeit – einerseits natürlich schade, andererseits hatte ich wirklich keine Gelegenheit mehr mich zu langweilen. Das liegt daran, dass im Oktober der Rosenkranz-Monat ist, weshalb es jeden Tag nach der Teatime zum Rosenkranzgebet zu einer Familie geht – etwas, was ich in Deutschland wahrscheinlich als absolute Horrorvision angesehen hätte. Hier finde ich aber tatsächlich ganz schön, dass man so mit den Leuten aus der Gemeinde in Kontakt kommt, die alle supernett sind – oftmals wurden wir auch direkt spontan noch zu irgendwem nach Hause eingeladen, um – ein weiteres Mal – zusammen Tee zu trinken, Gebäck zu essen und die Familie vorgestellt zu bekommen, die hier gefühlt den wichtigsten Teil der Identität ausmacht. Das ist dann natürlich auch immer eine gute Gelegenheit mal meine Malayalamkenntnisse auszupacken – zwar kann ich immer noch sehr wenig, aber es reicht, um manchmal zu verstehen, worüber gesprochen wird und ein Minigespräch (oft mithilfe von einer Schwester) à la „Ich heiße Marie, mir geht es gut, ich komme aus Deutschland, habe zwei Brüder und bleibe für ein Jahr hier.“ zu führen – das war es dann aber auch so ziemlich. Das Gebet an sich zieht sich für Selma und mich meistens ziemlich, wobei wir gestern auch eine sehr schöne Erfahrung gemacht haben – es wurde, statt den Text herunterzuleiern ganz viel in wirklich schönen Gesang verpackt und an jeden eine Kerze verteilt. Als dann ein für hier sehr typischer Stromausfall auftrat, sah man plötzlich nur noch das Kerzenlicht – ein wirklich magischer Moment! 

Trotzdem ist es aber so, dass es in letzter Zeit wohl etwas viel für mich war – ich habe mir leider eine ziemliche Erkältung zugezogen und habe gerade praktisch keine Stimme – wer mich kennt, wird mir wohl zustimmen, dass das für mich so ziemlich die Höchststrafe ist 😀 – aber es reicht noch gerade so für die wichtigsten Sachen und zur Not muss eben geflüstert werden – nur das Unterrichten klappt eben gerade nicht, wobei ich trotzdem immer zur Schule komme, um Selma bei der Vorbereitung zu unterstützen, mich zu den Störenfrieden im Unterricht zu setzen, damit sie etwas leiser werden und mich vom Schulcomputer aus um ihre Registrierung zu kümmern. Inzwischen bin ich auch wirklich an einem Punkt, an dem ich mich wieder absolut fit fühle – nur meine Stimme will eben noch nicht so ganz. 
Was davor noch so passiert ist…

Bevor Selma kam, waren hier natürlich auch noch ein paar Dinge los, über die ich noch nicht berichtet habe – zuallererst mal: mein normaler Alltag. Der sah an einem Schultag in etwa so aus:

7:20 – aufstehen und schnell kalt  duschen (warmes Wasser gibt es nicht)

7:45 – Frühstück mit den Schwestern im Konvent

9:00 – Ich soll an der Schule sein, um Nachhilfe zu geben

9:45 – Die erste Stunde beginnt

12:45 – Mittagspause und Zeit zu essen

15:40 – Der Unterricht ist vorbei: Eigentlich kann ich danach noch mit dem Schulbus die Kinder nach Hause bringen, aber da die Schwester mit dem Vorschlag gewartet hat, bis ich meine Schiene los war und ich mir bald danach die Erkältung zugezogen habe, bin ich bisher nur einmal mitgekommen. Das war allerdings eine sehr schöne Erfahrung, da ich mal ungezwungen mit den Kindern reden und spielen konnte und wir sehr viel Spaß hatten.

Danach (offiziell um 16 Uhr, aber wenn man den Schulbus nimmt, eben später) – Teatime mit Tee und (hoffentlich) Gebäck 

19:45 – Abendessen

Zwischen der Teatime und dem Abendessen habe ich mich zuvor eben hin und wieder gelangweilt – wobei ich auch manchmal mit den Schülerinnen Badminton spielen konnte oder zusammen einen Spaziergang durch die wunderschöne Landschaft unternehmen, was ich sehr genossen habe. 

Ausnahmen vom Alltag gab es immer für sogenannte „Programs“ – also Musik und Tanzaufführungen, die es hier zu gefühlt wirklich jeder Gelegenheit gibt und die immer Spaß machen. Bei der letzten konnte ich dann auch endlich selbst wieder einmal tanzen – das war wirklich sooo toll für mich, da ich das wirklich vermisst habe. Ich habe einen für mich in Deutschland choreografierten Tanz (eigentlich ein Duett) gezeigt, aber für nächstes Mal lautet dann der Plan: Indisch tanzen lernen! 
Ein anderer Tag, der sehr schön war, war ein Ausflug mit Louis, einem Father und ein paar Schwestern aus dem Nachbarort, bei dem wir verschiedene Stellen an der Küste besucht haben und schließlich auch selbst einmal (nur bis zu den Knien – hier gibt es keine Badesachen) ins Wasser gehen konnten. Wir haben sogar eine Bootstour durch idyllische Palmenbuchten unternommen und konnten am Abend schließlich den Sonnenuntergang am Strand beobachten – traumhaft!

Wenn ich ein bisschen nachdenken würde, würde mir jetzt wohl auch  sicherlich noch mehr einfallen – aber ich glaube, der Beitrag ist nun wirklich lang genug, und man kann hoffentlich einen ganz guten Eindruck davon bekommen, wie es mir gerade so geht 🙂 

Kultur im Alltag

In Kozhikode

In der letzten Woche habe ich um ehrlich zu sein kaum nennenswerte Erfahrungen gemacht – die Schule ist öfter ausgefallen, als dass sie stattgefunden hat, entweder aufgrund des heftigen Regens oder weil mal wieder ein Feiertag war. Deshalb dachte ich, ist es an der Zeit, einmal über einige generelle kulturelle Unterschiede zu schreiben, die mir bisher aufgefallen sind. 

Verkehr

Der indische Verkehr ist, wie schon zuvor hin und wieder erwähnt, eine Sache für sich. Um in eine andere Stadt zu gelangen, nehme ich meistens mit einer Schwester den Bus oder wir fahren mal ein Stück mit der Rikscha. Beides ist von den Preisen überhaupt nicht mit Deutschland zu vergleichen – für eine 40-minütige Busfahrt bezahle ich umgerechnet 20 Cent, die Rikschafahrten sind zwar etwas teurer, aber noch längst nicht mit den deutschen Taxipreisen zu vergleichen. Auch hier kostet der Weg in den nächsten Ort zwischen 50 Cent und einem Euro – einen ganz einheitlichen Maßstab gibt es nicht. Ansonsten habe ich auch schon bei einigen Fahrten mit dem Auto für gemeinsame Ausflüge mitgemacht, bei denen uns der immer gleiche Fahrer namens Sibi begleitet. Vor allem in den Städten, sind die Straßen hier ein einziges Chaos. Jeder versucht, so schnell voranzukommen, wie es irgendwie möglich ist, und letztlich gilt das Recht des Stärkeren – das heißt des lauter Hupenden oder eben im Zweifelfall des Busses, von dem sich der Motorradfahrer ungern rammen lassen möchte. Obwohl hier die meisten Straßen zweispurig sind, fahren oft mindestens drei Fahrzeuge nebeneinander, da spielt es dann auch keine Rolle, wenn man mal 100 Meter auf der Gegenfahrbahn verbringt oder zum Überholen eine durchgezogene Linie überfährt. Manchmal frage ich mich, ob es hier überhaupt eine Fahrschule gibt, die den InderInnen ein paar Verkehrsregeln beibringt, oder ob einem einfach irgendwann von den Eltern gezeigt wird, wie man schaltet und ein Auto startet und los geht’s auf die Straße. 


Trotzdem mag ich die Fahrten eigentlich meistens. Wenn einem beim Bus fahren nicht schlecht wird, ausnahmsweise mal kein Regen fällt UND man einen Sitzplatz bekommt (ja, ich weiß – sehr viele „Wenns“) ist es sehr angenehm mit offenem Fenster zu fahren und sich den Fahrtwind ins Gesicht wehen zu lassen und eine willkommene Abwechslung zur sonstigen Hitze und stickigen Atmosphäre im Bus. Ich beobachte dann entweder die Landschaft, oder strenge mich an, die Plakate oder Schriftzüge über den Läden in Malayalam zu entziffern, was mehr oder weniger gut funktioniert. Dafür freue ich mich immer besonders, wenn ich tatsächlich ein Wort verstehe, wie einen Stadtnamen, oder die häufig zu sehende Aufschrift „Tee und Kaffee!“ an den kleinen Straßencafés. Bei geschlossenem Fenster, versuche ich zu lesen – schwierig bei Ruckeln und der vorherrschenden Lautstärke, oder Musik zu hören. 
Noch mehr mag ich aber eigentlich die Rikschafahrten, die sich jedes Mal wie ein kleines Abenteuer anfühlen und zwar umso mehr ruckeln, mir aber auch das Gefühl geben, richtig im indischen Leben angekommen zu sein. 

Meine erste Rikschafahrt – natürlich im Regen

Essen


Jaja das indische Essen – was ich nicht im Vorfeld darüber schon alles gehört habe. Zuerst einmal – zumindest hier im Konvent wird meiner Meinung nach nicht besonders scharf gegessen, da hätte ich eindeutig „Schlimmeres“ erwartet. Generell gibt es drei Mahlzeiten am Tag, alle davon warm und üppig. In den meisten Fällen heißt das Reis, der aber auch hin und wieder durch verschiedene Teigfladen ersetzt wird, mit Curry. Curry kann hier praktisch aus allem bestehen, es gibt Gemüse -, Fisch-, und Chickencurry und oft eines mit Kichererbsen oder Linsen. Leider funktioniert mein Vegetarier-Dasein hier nicht so gut wie gedacht. Obwohl in jedem Reiseführer steht, dass es in Indien von VegetarierInnen nur so wimmelt und ich auf vielen Restaurants den Schriftzug „Vegetarian“ entdeckt habe, scheint das nicht für das Leben im Konvent zuzutreffen. Und wenn man sich einmal die Gründe für indische VegetarierInnen ansieht, wird auch klar, weshalb: Sie stammen in den meisten Fällen aus der Religion und nicht wie bei mir aus Bedenken über die Tierhaltung und die Auswirkung auf den Klimawandel und treffen demnach hauptsächlich auf Hindus und teilweise auf Muslime zu, wohingegen Christen als „Allesfresser“ bekannt sind. Deshalb wird mir auch noch nach mehrfachen Erklärungen meinerseits hin und wieder mal Hähnchen zugeschoben, was jetzt glücklicherweise weniger geworden ist. Mit dem Fisch habe ich mich inzwischen abgefunden – ich möchte den Schwestern das Verständnis nicht noch mehr verkomplizieren und tröste mich damit, dass er wenigstens aus dem Meer kommt, und keine schlechte Haltung mitmachen musste. 

Außerdem gibt es noch einmal am Tag „tea“ oder auf Malayalam chaya – das heißt, in reiner Milch aufgekochter schwarzer Tee, der aber oftmals so mild ist, dass ich kaum etwas anderes als heiße Milch schmecke. Wenn man das Ganze allerdings mit etwas Zucker versetzt, wie es hier üblich ist, erhält man auch wieder etwas Geschmack, wodurch es dann doch letztlich ziemlich gut schmeckt. In der Schule gibt es vormittags dann sogar den Luxus von reinem Schwarztee ohne Milch, den ich sehr genieße. Zum Tee werden dann in den meisten Fällen irgendwelche Süßspeisen serviert – manchmal nur Kekse, aber häufig etwas Selbstgemachtes z.B. eine mit Kokosnuss gefüllte Teigtasche, was ich immer sehr lecker finde. 

Klassischer „Chaya“ mit Gebäck

Generell bin ich mit dem Essen wirklich zufrieden. Natürlich, es könnte mehr Abwechslung sein, und manchmal sehne ich mich zumindest nach einem deutschen Frühstück, aber die Curries sind immer lecker und gut gewürzt, so dass ich mich auch darüber sehr freue. Gegessen wird hier übrigens natürlich mit den Händen, oder, um genauer zu sein mit „der“ Hand, da dafür eigentlich nur die rechte benutzt wird. Zur linken Hand nur so viel – die InderInnen benutzen kein Klopapier (für mich gibt es glücklicherweise welches).


Frauen und Männer

Bevor ich nach Indien gegangen bin, habe ich aus meinem Umfeld oft den – mehr oder weniger als Scherz gemeinten – Satz gehört: „Aber pass bloß auf, dass du nicht vergewaltigt wirst.“ Dass es in Indien mit der Gleichberechtigung nicht so weit her ist, wie bei uns (wobei wir natürlich auch im Westen immer noch Feminismus brauchen – aber das ist ein anderes Thema, und eine Diskussion, die ich jetzt hier nicht führen möchte) ist wohl allgemein bekannt. Tatsächlich ist mir anfangs gar nichts in diese Richtung aufgefallen – wobei ich eben auch im Konvent nur unter Mädchen und Frauen lebe. Was allerdings ein heftiger Unterschied ist, ist der Umgang, oder vielleicht sollte ich besser sagen der fehlende Umgang der Geschlechter miteinander. In der Kirche und im Bus sitzen Frauen und Männer getrennt, in der Rikscha musste ich einmal mit Louis den Platz tauschen, damit eine fremde Frau einsteigen konnte – ohne dabei neben einem „männlichen Wesen“ sitzen zu müssen. Außerdem soll er mich hier nicht „einfach so“ besuchen – ein Junge und ein Mädchen in unserem Alter haben wohl nur einen Grund, gemeinsam ihre Freizeit zu verbringen und das heißt hier wohl, dass sie entweder bald heiraten oder sich eben sehr unerhört verhalten. Dass man auch befreundet sein kann, scheint ein in der indischen Kultur unmöglicher Gedanke. So wurde ich auch schon, als wir mit den Italienern einen Ausflug gemacht haben, bei dem ich mich länger mit dem 19-jährigen Fillipo unterhalten haben, gefragt, ob wir verheiratet sind, woraufhin wir beide erst einmal loslachen mussten. Oder nein, um genauer zu sein wurde natürlich er gefragt – der Mann – ob ich seine Frau bin. Es sind eher solche Kleinigkeiten, an denen ich merke, welches Geschlecht hier das Sagen hat. Beispielsweise sitzen die Männer, wenn zusammen ein Ausflug unternommen wird selbstverständlich vorne, wofür dann auch die „Oberschwester“ Platz macht und sich auf die Rückbank quetscht und es scheint für Louis auch kein Problem darzustellen, alleine Bus zu fahren – wobei ich nie einen Ausflug alleine unternehmen sollte. Dass die Schwestern das wahrscheinlich nicht aus Diskriminierung, sondern aus realer Sorge so entscheiden – ein Mädchen, und dann auch noch eine Weiße, die überall auffällt und sich nicht richtig auskennt, alleine unterwegs – macht es natürlich nicht besser. Traurig werde ich auch, wenn die Schülerinnen mir, wie heute, eine Geschichte erzählen: Nachdem ich einer von ihnen sagte, wie schön sie tanze, antwortete sie, dass sie immer zu einer Tanzschule wollte. Aber da ihr Vater fern von zu Hause gearbeitet hat, und ihre Mutter nicht die Befugnis hatte, diese Entscheidung alleine zu treffen, konnte sie nie gehen. So etwas schockiert mich dann schon, weil diese Diskriminierung auf einmal so hautnah spürbar wird. 

Eher lustig zu beobachten, sind die Effekte der durchgehenden Geschlechtertrennung, die bei Schwestern natürlich noch einmal extremer sind: Wenn hier im Konvent ein Mann, oder ein Junge zu Besuch sind, werden alle immer ganz aufgeregt, lachen viel, und die Hormone sind förmlich spürbar – auf einmal habe ich das Gefühl, dass Schwestern und Schülerinnen (,die ja ungefähr in meinem Alter sind) nichts weiter sind, als ein Haufen pubertierender 13jähriger Mädchen. Für Louis ist das manchmal ziemlich nervig, aber ich kann mich dabei ganz gut amüsieren.

Schulsystem und Bildung

Louis hat mir vor ein paar Tagen einen unglaublich treffenden, wenn auch etwas bösen 9gag Post geschickt:

Quelle: 9gag

Ganz so schlimm ist es natürlich nicht, und ich habe sogar oft das Gefühl, dass die Kinder schwerere Dinge lernen, als an deutschen Schulen. Jedoch sieht der Unterricht eben so aus, dass sie ein Buch vor sich liegen haben, ziemlich komplizierte Texte daraus vortragen müssen und am Ende ein paar inhaltliche Fragen beantworten. Was absolut fehlt, ist die eigene Erarbeitung und Produktion – so verstehen sie zwar wissenschaftliche englische Texte, tun sich aber oft schwer damit, nur einen einzigen Satz selbst zu formulieren. Genau diesen Schwierigkeiten soll ich eben mit „Spoken English“ Abhilfe leisten – gar nicht so einfach, wenn man ganz am Anfang beginnen muss. Und zum Thema System: Zweimal ist es jetzt schon vorgekommen, dass ich mit einem Buch in der Hand in irgendeine Klasse geschickt wurde, ohne auch nur die Zeit zu haben, den Text vorher zu lesen, geschweige denn, eine Stunde vorzubereiten. Dafür hat es dann meistens noch erstaunlich gut geklappt – wobei es auch immer nur in der fünften Klasse war, die doch schon recht viel versteht.

Und natürlich – der Stock. Hier ist es normal, dass mit dem Stock unterrichtet und im Notfall bestraft wird. Zwar wird dieser in den allermeisten Fällen nur als Drohgebärde benutzt, jedoch musste ich auch schon mit ansehen, wie Kinder geschlagen wurden. In den meisten Fällen handelt es sich eher um kleine Schläge, die hoffentlich nicht wirklich weh tun, aber wenn jemand wirklich über die Stränge geschlagen hat, wird er dann auch schon mal zur Direktorin geschickt, deren Schläge schon etwas schmerzhafter aussehen. Auch wenn mir das vorher bewusst war, ist und bleibt es schrecklich und schockierend, mit ansehen zu müssen, wie ein Kind geschlagen wird. Das Problem weitet sich aber darauf aus, dass die Kinder das als Strafe anerkannt haben und mich sogar manchmal darauf auffordern, einen von ihnen, der besonders nervig ist, zu schlagen – oder zur Direktorin zu schicken. Deshalb ist es wirklich dringend an der Zeit, dass ich mir einen eigenen Weg einfallen lasse, sie zu kontrollieren, da meine bösen Blicke nicht immer wirksam sind. Schlagen werde ich aber natürlich nie.

Was ich aber genieße, und nicht direkt etwas mit der Schule zu tun hat, ist die Fröhlichkeit und Herzlichkeit der Kinder, die mir auch gerne mal etwas basteln oder mich am liebsten alle umarmen wollen, oder zumindest einen Handschlag austauschen. Wenn sie dann nach Küsschen fragen, wird es mir eindeutig zu viel und so muss man die Kleinen teilweise wirklich von sich wegscheuchen. Trotzdem bleibt es natürlich etwas, worüber man sich freut, wenn die Kinder einen so glücklich begrüßen und kaum wieder gehen lassen wollen.


Und noch ein paar andere Dinge…

Ich könnte hier jetzt bestimmt noch 100 Dinge aufzählen, wenn ich nur ein bisschen nachdächte, da wäre natürlich die Religiosität, der Hang zu aller Art von Festen, die indische Art der Höflichkeit und Gastfreundschaft, die unglaublich wichtige Rolle der Familie, der Umgang mit Weißen, der von neugierigen Fragen über penetrantes Starren zu Fragen nach Selfies führt und so weiter, und so weiter. Wer es sich genau vorstellen möchte, sollte wohl auch einmal eine Reise nach Indien unternehmen – alles aufschreiben werde ich zumindest nicht können ;).